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Elementarästhetisches Lernen und Identitätsbildung - Zwischen körperlich erfahrbaren Räumen und medialen Erlebniswelten balancieren
von Christine Hümpel-Lutz und Eva Koethen
Medialisierung der kindlichen Lebenswelt
In unserer heutigen Informations- und Mediengesellschaft haben sich zunehmend mediale und virtuelle Welten als Teile der Lebenswelt des Menschen konstituiert. Neben der Vielzahl von Medien prägt vor allem die unübersichtliche, sich ständig verändernde und vernetzende Medienlandschaft die Realitätserfahrungen der Kinder heute. Neben körper-sinnlichen Erfahrungen machen die Kinder auch Erfahrungen im Umgang mit dem „ästhetischen Eigensinn“ der neuen Medienwelten, über die sie Symbolbildungen vornehmen und Strategien der Bewältigung finden müssen [Zacharias, 1999]. So ist die Entwicklung der eigenen Identität untrennbar verknüpft mit der Verarbeitung der medialen Wirklichkeiten. Die Tendenz zur Vermischung von Dokumentation und Fiktion, von „Wirklichkeit“ und Inszenierung, von „Realität“ und Modellbildung, von Information und Werbung überfordert jedoch oft Kinder und Erwachsene - zumal, wenn das Erlebte nicht in orientierenden Kontexten verarbeitet werden kann. Das betrifft vor allem die schnell wechselnden medienvermittelten Emotionen, die zu Umfang und Komplexität der Informationsmengen hinzukommen und kaum Zeit und Raum zum eigenen Verarbeiten, Erinnern und Verknüpfen lassen. Kinder sind heute einer regelrechten Überflutung mit Daten ausgesetzt, ohne mitgelieferte Parameter, um sie für sich zu ordnen. Ihr Lernen wird von zunehmender Geschwindigkeit und "blickpunktartigen" Begegnungen mit der Alltagsrealität bestimmt [Zülch, 2000], die als mitunter paradoxes Nebeneinander von Sichtweisen die heutige Wahrnehmung von Wirklichkeit kennzeichnen.
Die Bildung von „Wissenschaftsmustern“ und die einschränkenden Faktoren
Gerade die Informationsverarbeitung und damit der Aufbau von Wissensstrukturen ist grundlegend für die kindliche Entwicklung. Viele Informationen werden über die Sinnesorgane gleichzeitig aufgenommen, zeitlich parallel in verschiedensten Gehirnabschnitten verarbeitet und zu einem Gesamteindruck zusammengesetzt. Je komplexer dabei die Informationen sind, desto mehr Neuronen und Synapsen sind an der Übertragung der entsprechenden Nervenbotschaften beteiligt. So dient der Prozess der Wahrnehmung dem Aufbau eines weitverzweigten Verarbeitungsnetzes, wobei über den Vergleich bzw. die Kombination von sensorischen Elementarereignissen Schemata entwickelt werden, die es ermöglichen, Reizeindrücke angemessen zu verarbeiten und adäquate Handlungsmuster für vielfältige Situationen auszubilden [van Lück, 1996 / Spanhel, 2000]. Diese Schemata organisieren das „Wissen“ von Gegenständen, Zuständen, Ereignissen und Handlungsabläufen in Form typischer Erfahrungsmuster, erleichtern damit die Orientierung und geben Sicherheit in den komplexen Situations- und Handlungskontexten der Lebenswelt. Bewusstsein, Wahrnehmung und Wissen entwickeln sich in diesen Mustern in Bezug aufeinander weiter.
In einem solchen individuellen Prozess der Realitätsbildung ist Wahrnehmen ein ganzheitlicher Vorgang, bei dem mehrere Sinne zu einer Gesamtheit der Sinnesempfindung zusammenwirken. Diese wird immer auch emotional bewertet, wobei diverse Gefühle, Erwartungen, Erinnerungen und Erfahrungen einfließen. Im Gedächtnis lagern sich die emotional bewerteten Informationen ab und wirken als mächtiger Speicher „subjektiver Bilder“. Ein einziger Sinnesreiz kann daher ganze Welten innerlich in Szene setzen, wie es in künstlerischer Verdichtung beispielhaft von Proust beschrieben wurde, in Erinnerung an ein bestimmtes Geschmackserlebnis, „auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.Neben den klassischen Sinnen Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen ist vor allem die Entwicklung des Gleichgewichtssinns und der kinästhetischen Wahrnehmung von großer Bedeutung. Da sich Kinder über Bewegungshandlungen die Welt aneignen, sind vor allem die körperlichen und motorischen Fähigkeiten für den Prozess der Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung von Bedeutung, weil sie die Grundlage für die Identitätsentwicklung bilden [Koch & Maier, 1981 / Ehni, 1996]. Denn Bewegung ist aufgrund der hohen sensorischen Reize, die verarbeitet werden müssen, und die die Verbindungsbahnen durchlässiger machen, für die synaptische Verschaltung und Erhaltung der Nervenzellen von grundlegender Bedeutung [Schneider, 1992].1
Von dieser Warte her gesehen begrenzt die mit der Technisierung und Mediatisierung der Gesellschaft einhergehende Reduzierung der Informationsaufnahme auf den visuell-akustischen Kanal die Fülle der Erfahrungswelt. Zunehmend eignen sich Kinder Wahrnehmungs- und Kommunikationsmuster durch Konsumierung von Medien und immer seltener über vielfältige körper-sinnliche Erlebnisse an. „Die Mediatisierung der kindlichen Lebenswelt ... führt ... zu einer Verarmung des Bereichs unmittelbarer Erfahrungen .... (Sie) verdeckt mehr und mehr die Fähigkeit der Phantasie, eigene Erfahrung zu organisieren... Die Verarbeitung von Umwelt, was „Erfahrung“ im eigentlichen Sinne vorstellt, ist...durch Mediatisierungserscheinungen vorstrukturiert und gleichsam konsumierbar.“ [Rolff & Zimmermann, 1985, S.139+140] Zeit- und Raumausdehnung werden nach Maßgabe des Bildschirms auf das Fenster zweidimensionaler Benutzeroberflächen reduziert, der ganzkörperliche Einsatz auf feinmotorische Handlungen begrenzt. Die nichtoptischen Sinne werden folglich vernachlässigt und es findet eine gravierende Wirklichkeitsverschiebung statt.
Dadurch kommt es zwar nicht zwangsläufig zu jenem befürchteten „Verlust des Körpers“ in und durch virtuelle(n) Realitäten, doch können Störungen des Körperschemas auftreten, wenn Tast- und Bewegungsreize vermehrt wegfallen. Da das Körperschema im Kopf nicht fest einprogrammiert ist, benötigt es den ständigen Feedback in Form von Sinnesreizen, um sich zu aktualisieren. Ohne diese sensorische Rückmeldung drohen Orientierungsstörungen, die Gefühle wie Realitätsverlust und Selbstentfremdung auslösen können.2 Beschränkte Handlungs- und Bewegungsmöglichkeiten wirken sich also nachweislich - und nachhaltig - auf Körper und Psyche aus [Ortner & Ortner, 1991], was erhebliche Konsequenzen für den Aufbau des Wissens-Netzes, das Bewusstsein von Selbst und Welt und damit auch für die Identitätsentwicklung von Kindern hat.
Tatsächlich treten in den letzten Jahren bei Schulkindern vermehrt Bewegungsunruhe, Nervosität, Konzentrationsmangel, Aufmerksamkeitsdefizite und ähnliche Symptome auf.3 Zugleich ist die Zahl der Kinder mit Fettsucht drastisch gestiegen, was auf die folgenschwere Kombination von mangelnder Bewegung, bedingt durch übermäßigen Fernsehkonsum sowie Fixierung auf Computerspiele und Internetsurfen, mit unkontrollierter Einverleibung von fast food zurückgeführt wird. Da Medien in unserer heutigen Welt allgegenwärtig und essenziell sind, lässt sich ein Weg aus dieser Medienabhängigkeit nur über eine Änderung der inneren Einstellung erreichen.4
Rolle „Multipler Sinnlichkeit“
Die Musterbildung, die das Verhalten und die Haltung des Menschen ausmacht, umfasst, wie oben beschrieben, das gesamte synaptische Netz. Um bestehende Muster zu verändern, bedarf es daher der Zugänge über alle Sinneskanäle. „Ein isoliertes Üben von Einzelfunktionen reißt diese nicht nur aus dem Zusammenhang des netzförmigen Verarbeitungsgeschehens, sondern fördert auch nicht das komplexe Zusammenspiel, das notwendig ist, damit ein Mensch aus seinen vielschichtigen Alltagsbedingungen das herauslesen kann, was er zur Wahrnehmung und Deutung seines Welt- und Selbstbezugs benötigt.“ [Schäfer, 1999, S.24] Man kann hier von der notwendigen Summation zu einem wirkungsvollen Schwellenwert sprechen, der nur durch ein koordinierendes Miteinander von unterschiedlich kanalisierten/mediatisierten Informationen erreicht wird. In dieser Zuordnung macht die Summe des Ganzen mehr aus als die seiner Teile - ein Phänomen, das aus der Kunst bekannt ist5 – und nur die Wirkung des Gesamten vermag über die Schwelle zu tatsächlicher Verhaltensänderung vorzudringen.
So erhält mit der zunehmenden Technisierung und Mediatisierung der Umwelt und der Alltagserfahrungen der Kinder eine bewusste Simultaneität6 „leiblicher“ und „apparativer“ Sinneserziehung besondere Bedeutung. Umfassende Sinneserziehung stellt keine neue pädagogische Forderung dar, weiß man doch seit längerem, dass erst durch ein Lernen, das alle Sinne durch Selbsttätigkeit übt, Kinder innere Vorstellungen und Bilder über die Welt entwickeln und sie „begreifen“ können. Aktuell relevant ist hingegen die Gleichzeitigkeit als Duplizität eines körper-sinnlichen und apparate-sinnlichen Angebots von Wahrnehmungen7, was die Sensibilität für die Eignung eines Mediums im Hinblick auf das Erleben und Erkennen schult.8
Die dadurch zustande kommende Differenziertheit der Sichtweisen steht immer in Spannung zur Identität als Tendenz zum „Sich-Gleichbleiben“. Wird die Multiplizität [Schmid, 1999]9 des Zugangs zur Wirklichkeit nicht beliebig gehandhabt, sondern im Bewusstsein gleichberechtigter Perspektiven eingeübt, kann man auch das Problem umgehen, Körperbezug und faszinierende Virtualität kompensatorisch gegeneinander auszuspielen. Wieder weist uns die zeitgenössische Kunst den Weg, die ganz selbstverständlich von einer medialen Erweiterung der menschlichen Sinnlichkeit und Differenzierungsfähigkeit ausgeht, damit aber nicht selbstverständlich einen Leistungsfortschritt im Künstlerischen postuliert. Denn die Gewinnseite der Technologie lässt sich nicht an ihr selbst abschätzen, sondern braucht (menschliche) Bezugsgrößen (s.S.5).
Machen die Kinder Erfahrungen im spielerischen Vergleich zwischen verschiedenen Sinnlichkeiten, und zwar durch gezielte Aufmerksamkeit auf sinnliche Spezifik, verankern sich die Erkenntnisse bzw. Modelle, die Kinder sich von Dingen, Verhältnissen und Vorgängen in der Erlebenswelt aufgebaut haben, in mehrdimensionalen Verknüpfungen. So führt die bewusste Simultaneität von Körpersinnlichkeit und apparativer sinnlicher Bereicherung durch immer neue Medien zu einer nachhaltigen Erkenntnis- und Verhaltensänderung, indem man lernt, die unterschiedlichen Zugangsweisen zu spezifizieren und mit ihren Wechselwirkungen selbstverständlich umzugehen. Bewährt sich die multiple gespeiste Sinnlichkeit zudem in sprachlichen Interaktionen mit anderen, steigert dies ihre Viabilität ebenso wie es durch Wiederholung und Koordination unterschiedlicher Sinneseindrücke geschieht.
Eine solche Sinneserziehung ist prinzipiell anschlussfähig; sie fungiert nicht als Ausgleich von Defiziten, sondern als Grundlage eines umfassenden Wahrnehmungsvermögens für eine vielschichtige Kommunikation mit unterschiedlichen Lebenswelten. Nur wer die Wechsel und ihre Wirkungen - die gegenseitige Steigerung und Dämpfung [vgl. auch Buddemeier, 2001] - zwischen verschiedenen Ebenen der Sinnlichkeit erlebt hat, wird sich der jeweiligen Leistungsfähigkeit der Sinne bewusst und kann mediale Erfahrungen im Hinblick auf ihre Qualitäten einschätzen. Über die damit verbundene Erkenntnis und lustvolle sinnliche Erweiterung eignet er sich einen selbstbestimmten und sachkompetenten Umgang mit den Dingen an.
Die Bildung einer tragfähigen Identität
Für die Gewinnung einer solchen multiplen Sinnlichkeit, die situativ Balancen zwischen verschiedenen Zugängen zur Wirklichkeit herstellt, ist das ästhetische Lernen zuständig. Unserem Thema entsprechend bilden gerade die Wechselwirkungen zwischen eigener künstlerische Praxis, (zeitgenössischer) Kunstgeschichte und didaktischen Reflexionen einen vielschichtigen Hintergrund an Erfahrung und Wissen, der ein fruchtbares Repertoire an Frage- und Problemstellungen eröffnet und Bezugspunkte für differenzierte empirische Untersuchungen liefert.
„Ästhetisches Lernen arbeitet grundsätzlich an einem Bewusstsein für Verhältnismäßigkeit und Freiheitsgrade: an den Proportionendes offenen Raums, an den immer neu zu findenden Balancen im Spannungsfeld zwischen den kulturellen Erfahrungsschätzen und den neuen Möglichkeiten technischer Welten. Ästhetische Wahrnehmung und Gestaltung operieren an dieser permanent sich verschiebenden Schnittstelle - oder, treffender beschrieben, befinden sich auf einer Gratwanderung zwischen einer Art „archaischem“ Vermächtnis und virtuellen Potenzen. Von diesem Verständnis her wird ... immer mit Perspektive auf die Neuen Medien und in gleichzeitiger Rückbindung an die Leiblichkeit ganzheitlicher Erfahrung gelehrt. Womit die Prinzipien der Immaterialität und Beschleunigung auf das Gewicht und die Trägheit der Materie/ Materialien treffen und diese Welten durchaus aneinander geraten können. Ohne hierbei Fronten aufzubauen oder die Pole kompensatorisch auszugleichen, bedürfen sowohl die Horizonte der neuen Technologien wie die Spurensuche, Erinnerungsarbeit und archivarische Tätigkeit ästhetisch-künst-lerischer Auseinandersetzung und Entwicklung.“ [Koethen, 2002, S.9]
Der individuelle Prozess der Realitätsbildung und damit auch das Finden der Balancen zwischen unterschiedlichen Erfahrungsdimensionen wird durch einseitige mediale Bevorzugung erschwert – wie im Falle eines nur am Computerabsatz orientierten, unreflektierten Slogans „Schulen ans Netz!“. Denn „die Technologie verändert uns Menschen, und sie verändert unsere Beziehungen und unser Selbstbild“ [Turkle, 1998, S. 376]. Dieser Umstand ist umso gravierender, da die audiovisuellen Medien immer perfekter dazu imstande sind, als wunschgesteuerter virtueller Ersatz für die unabsehbaren Risiken des Lebens zu funktionieren, und es immer mehr zu einer Verwischung von „Realität“ und Simulation von Wirklichkeiten kommt, die ihre eigenen Lüste generieren.
„Mit der technischen Hervorbringung der virtuellen Realität ist heute eine neue Anschauungsqualität der Dinge erreicht, die [...] ein von den Unsicherheiten der subjektiven Wahrnehmung gereinigtes Bild der Welt zeigt, und zwar dasjenige Bild, das sich der konstruierende Verstand von seinem eigenen Anschauungsvermögen macht. Was von unglaublicher Wirkungskraft ist, da es um eine fast buchstäbliche Umformung der Wirklichkeit nach unserem eigenen Bilde geht. D.h., die Welt, die wir uns vorstellen, entsteht tatsächlich vor unseren Augen, und das übt eine ungeheure Faszination aus...“ [Koethen, 2001, S.62].
Die Bildung einer tragfähigen Identität beruht nun darauf, diese neuen Möglichkeiten zu ergreifen und in den individuellen Erfahrungshaushalt zu integrieren. Dazu bedarf es einer zugleich stabilen wie flexiblen inneren Struktur, die man sich als Netzwerk vorstellen kann. Damit ein solches Netz strapazierfähig ist, höchst dehnbar, doch ohne so viele Risse, dass die Identität auseinander fällt, bedarf es eines qualitativ hochwertigen Garns, aus dem dieses Netz gestrickt ist.
Einfluss auf die Qualität nehmen können wir über das Strickmuster, d.h. über die Form der Musterbildung, in der uns unsere Lernerfahrungen zur Verfügung stehen. Verändern wir dieses Muster durch geschickte Verknüpfungen, wird die Netzstruktur dank guter Knotenbindung haltbarer; sie fängt auch größere, sogar extreme Verformungen auf, ohne als Funktionsträger zu reißen. „Lernen heißt damit, ein eigenesVerhältnis zwischen den einstürzenden Datenmengen und den Verarbeitungsmechanismen herzustellen: auch weite Maschen (und Löcher) zuzulassen, durch die Informationen hindurch fallen, und gleichzeitig Knotenpunkte des Wissens herzustellen, die eine Stabilisierung des Vernetzungsprinzips bedeuten, (…um) Wissen individuell, wahlweise verdichtet oder ausgedehnt, zur Verfügung zu stellen.“ [Koethen 2002, S. 8 f.]
Um dem beschleunigten Ansturm der Informationen und deren wertemäßiger Einordnung Rechnungzu tragen, muss die innere Strukturierung über Funktionsveränderungen gelernt werden. Die Bildung einer tragfähigen Identität beruht folgerichtig darauf, immer wieder individuelle Balancen herzustellen zu können – zwischen Körpersinnlichkeit und anderen Medien, zwischen personaler und sozialer Dimension, zwischen lustvollem Spiel und den Anforderungen der Gesellschaft.10
Die Forderung nach frühzeitiger sinnlicher „Medienbesetzung“
Nach dem Gesagten versteht sich von selbst, dass zeitgemäße Medien- und Kommunikationserziehung nicht erst einsetzen darf, wenn sich das Medienverhalten der Kinder verfestigt hat. Vor allem darf nicht erst im Studium der Kunst oder Ästhetischen Bildung das Thema Medien im Kontext von Identitätsbildung auftauchen. Während dieses Studiums aber sollten Differenzierungen zwischen Fragen der Kohärenz (s. Anm .9)und dem Möglichkeitshorizont der Kreativität bzw. dem der Technik zuzuordnenden Problem ständiger Innovationen angesprochen werden. Um die hier eröffneten Spielräume selbstbestimmt zu balancieren, hat bereits die Grundschule damit zu beginnen, ein elementares Vorverständnis der neuen Technologien zu entwickeln und eine „essentielle Medienkompetenz“ anzustreben [Hümpel-Lutz & Schrader, 2003]. In einem selbstverständlichen Umgang mit den modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, d.h. in spielerischen Auseinandersetzungen mit dem Medienalltag durch eigenes Medien handeln, erweitert sich die (mediale) Erfahrungswelt der Schüler und es werden aktiv Erlebnisalternativen geschaffen.
Die dazu benötigten Unterrichtsideen müssen dem Lebensumfeld der Schüler entstammen, um ihnen einen erfahrungsorientierten Zugang zu den formal abstrakten Strukturen der Informations- und Kommunikationstechniken zu ermöglichen und ein Denken in komplexen Zusammenhängen anzubahnen. So sind z.B. Simulationen eine grundlegende Methode heutiger Erkenntnisgewinnung. Sie stellen komplexe und dynamische Prozesse besonders anschaulich dar, verbinden dabei realitätsnahe optische und akustische Eindrücke und erlauben interaktive Eingriffe, deren Folgen sofort sichtbar werden. Sie ermöglichen ein flexibles, selbsttätiges, entdeckendes Lernen an Modellen der Wirklichkeit – wirken so auch realitätsbildend - und fördern ebenfalls die Fähigkeit, in „Systemen“ zu denken. Schülern können deshalb durch unterrichtliche Auseinandersetzung mit Simulationen sowie mit Visualisierungen aus Film und Fernsehen die Zusammenhänge zwischen „Realität“, Modell und Simulation deutlich gemacht werden. Daneben geht es stets auch um das Verhältnis der traditionellen Kunstformen zu den technischen Medien, denn jene bilden den kulturellen Hintergrund für das Verständnis der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die uns überlieferten Kunstwerke werden gleichberechtigt einbezogen, da sie auf der symbolischen Ebene prinzipiell verschieden von der Realität sind, auf die sie sich beziehen, zugleich aber eine ebenso mediengeprägte wie ganzheitliche Art und Weise darstellen, diese Realität zu sehen (s. Anm .5). Wirklichkeit erstreckt sich folglich vom Körper als Basis-Medium bis zur ausgefeiltesten virtuellen Animation. Erst mit der Selbstverständlichkeit einer solchen Spannbreite entwickeln Schüler, wie Erwachsene auch, bildnerische Gestaltungs- und Medienkompetenz auf der Grundlage eines zugleich umfassenden wie differenzierten Medienverständnisses.
Nur im Einüben multipler Sichtweisen können sich Schüler eigenständig, spielerisch, nachschaffend und erforschend den neuen Techniken nähern und erfahren, wie diese ihre Wahrnehmungen und ihre Einstellungen zu Mitmenschen und zur Umwelt beeinflussen, auf welchen technischen Prinzipien ihre Wirkungen beruhen und woran sie die gesellschaftlichen Veränderungen in ihrem eigenen Alltag festmachen können [Röll & Maurer, 2001].
Kommunikationserziehung in der Grundschule beinhaltet zudem die umfassende und gezielte Ausbildung der elementaren Fähigkeiten wie Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen, die es den Schülern erst ermöglichen, die Wirklichkeit aus mehreren Perspektiven zu erschließen und die komplexen Wechselbeziehungen von Sache, Denken und Sprache zu erfassen. Sie stärken die Basis der kognitiven und psychischen Entwicklung und befestigen den zwischenmenschlichen Erlebens- und Erfahrungsaustausch.
Elementarästhetisches Lernen als Konsequenz
Im Rahmen eines Forschungsprojekts am Institut für Ästhetische Bildung (Abt. Bildende Kunst/Visuelle Medien) der Universität Hannover wurde in einer Grundschule der konkrete Versuch unternommen, Multimedia in den Unterricht zu integrieren. Über die vier Schuljahre der 1.-4. Klasse hinweg entwickelte sich ein Lehr-/ Lern-Konzept, das auf dem gleichberechtigten Angebot körper-sinnlicher und virtuell-bildlicher Ereignisse basiert und damit die Wechselwirkungen und Korrespondenzen von sinnlich-ganzheitlichen Erlebnissen und virtuell-imaginierten Welten aufzeigt bzw. sie in kreativ-entdeckenden Lernprozessen eigens hervorbringt.
Wissenschaftlich gestützt wurde das Projekt durch eine prozessbegleitende Evaluation mittels qualitativ empirischer Forschungsmethoden [Mollenhauer, 1996]. Ziel des Projekts war die Integration der modernen Informations- und Kommunikationsmedien in eine zeitgemäße ästhetische Erziehung in der Schule. Im Rahmen der aktuellen Diskussion über die Innovation schulischen Unterrichts folgte die Untersuchung dabei auch der Frage, wie die Förderung multi-medialer Kompetenz auf Basis einer veränderten Unterrichtspraxis – im Regelunterricht - realisiert werden kann. Denn dass innovative Prozesse sich aus unspektakulären Veränderungen des Alltags heraus entwickeln, lehrt uns die „subversive Kreativität“ aufmerksamer „Wahrnehmung“.11 Öffnet sich der Unterricht und lässt diese Veränderungen zu, kann Lernen selbstständig und selbstgesteuert stattfinden. Dies erforderte eine prozessbegleitende Optimierung der an den Unterrichtsthemen ausgerichteten didaktischen Handlungsformen. Da emergente und selbstbildende Entwicklungsprozesse im Mittelpunkt standen, wurde das bei Evaluationen im Bildungsbereich üblicherweise angewandte „Vorher-Nachher-Design“ abgelehnt. Ziel des Forschungsprozesses war vielmehr, durch Vergleich und Typisierung zu verallgemeinerbaren Aussagen und neuen Erkenntnissen zu gelangen, also die Übertragbarkeit auf andere Prozesse.
Da sich ästhetische Erfahrung im (ästhetischen) Verhalten, im sprachlichen Ausdruck, im bildnerischen Handeln und im sinnlichen Erleben äußert, musste ein methodenpluraler Zugang gewählt werden, um der Forderung nach Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Erhebung zu entsprechen. Als sozialwissenschaftliche Erhebungsverfahren wurden deshalb die teilnehmende Beobachtung, die schriftliche Befragung und die inhaltliche Analyse von Schülerarbeiten gewählt sowie weitere Verfahren, wie z.B. Gruppengespräche, Leitfaden-Interviews mit Schülern, Lehrern und Eltern und die Analyse von Projekttagebüchern mit einbezogen. Interaktionen wurden zur Unterstützung der Beobachtung aufgezeichnet und später ausgewertet. Darüber hinaus ermöglichten Fotos und Videoaufzeichnungen neben der sprachlichen auch die leibliche Ausdrucksebene in Interaktionsabläufen zu dokumentieren und zu analysieren, die in diesem Projekt von erheblicher Bedeutung ist. Auch vorreflexive Äußerungen konnten so festgehalten und intendierten Auswirkungen auf Einstellungen und Habitus nachgegangen werden [Stutz, 2004]. Im Projekt eröffnete die bewusste Simultaneität von körper- und apparate-sinnlichen Unterrichtsangeboten (s.S.4) den Kindern eine Fülle heterogener Erfahrungen.
Erst diese Multiplizität des Zugangs zur Wirklichkeit schafft die Voraussetzungen für einen kritischen Umgang mit den medial vermittelten Wirklichkeiten. Um ein „Verständnis von Lebenswelt auf der Basis der reichhaltigen Informationslage“ zu erzeugen, wobei die „Heterogenität der in sie eingegangenen Materialien“ berücksichtigt wird [nach Marotzki, 1998, S.52], wurden die mit unterschiedlichen Methoden gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Triangulation [Kirchner, 1999] zusammengeführt, kontrastierend betrachtet und komprimiert. Nur so können die Wechselbeziehungen zwischen den raum-zeitlichen Wahrnehmungen, den symbolischen Verständigungsmedien (also Bild, Sprache und Schrift) und den technischen Verbreitungsmedien (wie Internet oder Fernsehen) aufgezeigt werden.
So gesehen kann multisensorische (mediale) Wahrnehmung weder in einem Fach, noch in einem umfangreichen Unterrichtsprojekt erarbeitet werden, sondern muss durchgängiges Erkenntnisprinzip (nicht nur) in der Grundschule sein.
Dass etwas (für) wahr zu nehmen bereits ein aktiver Erkenntnisprozess ist,12 wird in ästhetischen Gestaltungsprozessen verdeutlicht und vertieft. In ihnen vergegenständlichen Schüler ihre differenzierten Beobachtungen und Erfahrungen in stillen und bewegten Bildern sowie in Objekten und interpretieren ihre Wahrnehmungen dadurch neu für sich. Durch die Selbsttätigkeit findet eine bewusste Verarbeitung der individuellen Erlebnisse statt, und die Schüler haben die Möglichkeit diese in ihr inneres Netzwerk zu integrieren. Über die Beschäftigung mit dem Material erfolgt der nötige Transfer von der Handlungsebene auf die Bild- und Symbolebene [Duncker, 1999]. So können Schüler formale und abstrakte Prozesse besser „begreifen“ und ihre eigene Gestaltungskraft erkennen. Zudem entwickeln sie über die Reflexion ihrer eigenen (individuell unterschiedlichen) medialen Prägungen ein Gespür für die Reichweiten und die Relativierbarkeit des Mediengebrauchs.
Zeit und Raum für Lernprozesse
Die Simultaneität umfassender Sinneserziehung sowie gezielte Aufmerksamkeit auf sinnliche Spezifik (s.S.4) muss sich immer wieder in langfristigen Arbeiten bewähren. Erst durch die kontinuierliche Beschäftigung mit einem Bild, Objekt oder mit szenischen Darstellungen lassen sich "persönlichere, existenznahe Grenzen und Möglichkeiten des subjektiven Empfindungs- oder Artikulationsvermögens auftun“ [Zülch, 2000]. Kindern muss Zeit und Raum gegeben werden, Neues zunächst im Rahmen ihrer individuell verfügbaren Denk- und Verhaltensmuster zu bearbeiten. Nur so haben sie die Möglichkeit, „Dinge ruhig und gelassen zu befragen, intensiv zu betrachten, bildhaft zu denken und zu verwandeln“ [Kathke, 2001, S.223f] und ihre Erkenntnisse in mehrdimensionalen Verknüpfungen zu verankern. „Zeit-Zu-Lassen“ ist somit entscheidend für die innere Gestaltung des Wissensnetzes, um Knotenpunkte herzustellen und die Netzstruktur immer weiter zu stabilisieren. Im elementarästhetischen Lernen wird daher die Verlangsamung, die Sensibilisierung und Intensivierung des Erfahrungsprozesses sowie das kontinuierliche Arbeiten an einer Sache bewusst den raschen Aktions- und Wahrnehmungswechseln der Kinder im Alltag entgegengesetzt.(s. a. Anm. 8)13
Differenzierte Lernorte und „Zeit-Zu-Lassen“ für Prozesse des Ordnens und der Kohärenz bilden die tragenden Säulen im Konzept eines elementarästhetischen Lernens, denn entlang ihrer zugleich offen gehaltenen und konkret weisenden Grenzen vollzieht und ordnet sich jede Wahrnehmung und Handlung. Schüler gewinnen darin Zutrauen in Erfahrungen, die sie in verschiedenen Räumen bzw. Umwelten machen, wodurch immer wieder andere Empfindungen, Erlebnisse und Begegnungen initiiert werden [Dietrich, 1992 / Westphal, 2000]. Insbesondere Begegnungen mit der Natur schaffen einen Kontrast zu den Erlebnissen und Erfahrungen in virtuellen Welten [vgl. Buddemeier, 2001]14. „Daraus entsteht eine mehrperspektivische Sicht auf die Welt, die dann verortet, integriert werden kann in die eigene Identität, in das eigene Selbst- und Weltbild.“ [Gerlach, 1999]. Die Art und Weise, wie Unterricht und Schulalltag strukturiert und organisiert wird, ist nicht nur wichtig für die Entwicklung des kindlichen Raum- und Zeitempfindens, sondern auch für ein generelles Vertrauen in eigene Wahrnehmungen und Erfahrungen.
Der Körper als Bais-Medium
Da der Körper das Basis-Medium unseres Selbst- und Welterlebens ist, werden im elementarästhetischen Lernen die realen und virtuellen Erfahrungen der Schüler in ihrer Besonderheit hinsichtlich des Körperlichen aufgegriffen und in verschiedenen Konstellationen reflektiert. Das Spektrum, das der Körper in Erfahrung zu bringen vermag, kann zwar durch die Neuen Medien erweitert, aber nicht ersetzt werden.
Nur durch Aufmerksamkeit für die Qualität tatsächlicher körperlicher Bewegung, die persönlichkeitsstabilisierend wirkt und der Entwicklung des Selbst- und Weltbildes dient, findet eine umfassende ganzheitliche Förderung von Kindern statt.Darüber hinaus eröffnen bewegungsbezogene unterrichtliche Inszenierungen, in denen sich Kinder ihrer Körpergefühle bewusst werden können, Spielräume, um intensiver mit sich selbst sowie mit den Wahrnehmungen und Gefühlen anderer umzugehen. Die dabei auftretenden Gefühle von Selbstanerkennung, von Authenzität und Sinnhaftigkeit stärken die innere Kohärenz und festigen gleichzeitig die kommunikative und soziale Identität.15 Somit kann elementarästhetisches Lernen dazu beitragen, eingeschränkte Wahrnehmungs- und Bewegungsmöglichkeiten, die häufig die Ursachen bei Lernschwierigkeiten, Körperkoordinationsstörungen, Ängsten, Verhaltensauffälligkeiten u.a. sind, im Regelunterricht zu kompensieren16 und die soziale Wahrnehmung und Integration zu stärken.17 Um damit nachhaltig wirksam zu bleiben, müssen der Klassenraum und angrenzende Räumlichkeiten zu differenzierten Lernorten umgestaltet und Arbeitsaufträge mit Platz- und Ortswechseln verbunden werden.
Lernen in Zusammenhängen
Unsere komplexe Informations- und Mediengesellschaft bietet Kindern und Heranwachsenden eine Fülle von Erlebnis- und Erfahrungsbezügen, die sich in kein Gesamtbild mehr fügen. Im fächerübergreifenden Konzept des elementarästhetischen Lernens wird diese „Fragmentierung von Erfahrungen“ [Keupp, 2000] aufgefangen und neu orientiert. Denn Kinder müssen Zusammenhänge in ihrer Lebenswelt und zwischen entfernt scheinenden Dingen so früh wie möglich wahrnehmen und erkennen lernen. Nur so kann ihr Gehirn Vernetzungen erproben und Kategorien entwickeln, die wiederum die Voraussetzung für das Verständnis komplexer, abstrakter Konzepte sind [Herrmann, 2004 / Röll, 2002]. „Mit diesem (Struktur bildenden) Vorgehen addieren sich neuerworbene Kenntnisse nicht einfach zum jeweils aktuellen Wissensstand, sondern verschieben das ganze Wissensgefüge, indem der Erfahrungsspeicher sie ständig zu integrieren und neu zu ordnen hat“[Koethen, 2002, S. 8].Genau darin werden die Kinder im elementarästhetischen Lernen unterstützt: damit sich ihre Nervenzellen möglichst vielfältig miteinander verschalten und sich jenes bewegliche „Wissens-Netz“ über ihre Lebenswelt aufbaut, das sich gleichzeitig als strapazierfähig erweist.(s.S.6)
So versucht das elementarästhetische Lernen, ein umfassendes integratives didaktisches Konzept für den Unterricht der Grundschule zu entwickeln. Dabei muss – wo es „thematisch möglich, inhaltlich sinnvoll und methodisch ergiebig“ ist - „ein neues Feld der Bezüge, Verknüpfungen, der Fantasie der Verbindungen“ eröffnet werden, wobei gerade in der „Art und Vielfalt der Korrelationen (Formen der Verbindungen) und der Trennungen (Betonung der Verschiedenheit)“ [Matthies, 2000, S.39] die Herausforderung liegt. Statt die Dinge bzw. Themen in einzelnen Schulfächern zu zerlegen, werden sie im elementarästhetischen Lernen als Teil eines Ganzen betrachtet. Ein krampfhaftes Suchen nach Berührungspunkten mit anderen Bereichen wird nachdrücklich vermieden. Denn es geht (auch im Unterricht) nicht um effektvolle Animation, sondern um die Ausbildung einer ästhetischen Haltung, die sich u.a. darin zeigt, in welcher Qualität auf die (mediale) Situation der Gegenwart Bezug genommen wird.18
Ein Thema lässt sich auf unterschiedlichste Art und Weise bearbeiten und mit verschiedensten Ausdrucksmitteln realisieren. Im freien Zusammenspiel und in inszenierten (Medien-)Wechseln können sich die Ausdrucksmittel in ihrer Eigendynamik entfalten – was einem ganzheitlichen Verständnis des Menschen entspricht und „die Berührungspunkte zwischen den Bereichen erfahrbar (macht) ..., ohne dass eine Ausdrucksform seine Eigenständigkeit einbüßen muss“ [Duderstadt, 2000, S.50].„Wichtig ist dabei, dass (die Bereiche) nicht in einer Art „didaktischen Synthese“ gipfeln und damit nach Art der Dialektik in einem Dritten auf- und untergehen, sondern dass sie als unterschiedliche (auch parallele) Zugangsweisen ... kenntlich gemacht und in dieser Differenz offen gehalten werden für die (didaktische) Fruchtbarkeit ihrer Wechselwirkungen.“[Koethen, 2002, S. 10]Um der zunehmend konsumierenden Haltung der Kinder und einem drohenden Suchtverhalten entgegen zu wirken, werden unterschiedliche Sachthemen oder -pro-bleme im Rahmen von Projekten über eine Vielzahl körper- und apparate-sinnlicher Erfahrungen erforscht und eine mehrperspektivische Betrachtungsweise sowie das Erkennen von Zusammenhängen ermöglicht. So entwickeln die Schüler ein Gespür für die innere Affinität der Dinge und es „wird die Fähigkeit zu übergreifenden Arbeitsmethoden und zu subjektiven Lernstrategien angebahnt, die lebenslanges Lernen mit der entsprechend notwendigen Flexibilität möglich machen“ [Clemens-Davidts / Kahrmann & Schierenbeck, 2001, S.6].
Entwicklung multi-medialer Kompetenz als Teil der Selbstbestimmung
Den Kindern werden Lernangebote gemacht, die die Auseinandersetzung mit den Medien als Teil der individuellen und gesellschaftlichen Lebens- und Alltagswelt ermöglichen. Die Schüler müssen dabei die Wirkungen der einzelnen Medien erfahren und einschätzen und die "Sprache" der Medien, wie z.B. audiovisuelle Zeichensysteme, verstehen lernen. Hierzu erhalten sie Einblick in die grundlegenden Prinzipien des bewegten Bildes und in neue Verfahren der Verfremdung, Verschmelzung und Beschleunigung von Bildern z.B. durch die Herstellung eigener Trickfilme bzw. Animationen mit dem Computer. Angesichts der zunehmenden Vernetzung von Medienangeboten werden Medien auch intensiv in ihrem Zusammenwirken erprobt. Nicht nur die computerisierten Informations- und Kommunikationstechnologien stehen dabei im Mittelpunkt, sondern es bewähren sich auch Zeichnung/ Malerei, Text, Musik und darstellendes Spiel neben den „neu-traditionellen“ Medien Foto, Film und Video.19 Dabei wird ein reflexives Verhältnis zu den Neuen Medien angebahnt sowie die Fähigkeit aufgebaut, die Einflüsse von Medien auf die Wahrnehmung von Realität zu erkennen und zu beurteilen. Multi-mediale Kompetenz wird so als elementare Voraussetzung für die individuelle und auch soziale Selbstbehauptung in unserer Informations- und Mediengesellschaft verstanden.
Exemplarische Unterrichtsbeispiele aus dem Forschungsprojekt
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen fand das elementarästhetische Lernen im Forschungsprojekt zumeist fächerübergreifend im Rahmen von Themenblöcken, z.B. „Buchstaben mit allen Sinnen, „Tiere“, „Pflanzen in Zimmer und Garten“, „Ein Weihnachtsmusical“, „Begegnung mit Niki de Saint Phalle“ etc., statt. Ab dem 3. Schuljahr brachten sich die Schüler zunehmend eigenverantwortlicher, z.B. durch selbstgewählte Referate, in den Unterricht ein. Zusätzlich wurden drei Projektwochen zum Thema „Medien erfahren“ durchgeführt (s. Tabelle) und jedes Kind gestaltete und pflegte eine eigene Homepage-Seite im Internet, die manche Kinder auch nach Beendigung der Grundschulzeit noch weiterführen.20
Resümee
Das elementarästhetische Lernen verhilft den Schülern zu einer robusteren und verlässlicheren Selbstvergewisserung ihrer Individualität und legt damit das Fundament für den Aufbau einer zugleich stabilen und beweglichen Identität. Erst diese Verbindung befähigt die Schüler zur Offenheit gegenüber ihrer sich beschleunigt verändernden Lebenswelt, in der heute viele verschiedene Welten nebeneinander bestehen. Über die im elementarästhetischen Lernen verfolgte Multiplizität des Zugangs zur Wirklichkeit wird den Schülern nicht nur die Fülle einer multiplen Lebenswelt transparent gemacht, sie lernen auch, mit den unterschiedlichen Zugangsweisen und ihren Wechselwirkungen bewusst und selbstbestimmt umzugehen. Erst so können sie eigene Strukturierungen vornehmen und Freude und Kompetenzen im Umgang mit vielen parallelen Welten erlangen.
Anmerkungen
(1) Das gilt übrigens auch für das Alter, bei dem eine positive Korrelation zwischen geistiger Beweglichkeit und alltäglich geübter körperlicher Bewegung besteht.
(2) Das Phänomen der scheinbar sich auflösenden Körpergrenzen und die damit einhergehenden körperlichen und geistigen Folgen ist vielbeachtetes Ergebnis eines Experiments zur Pflegetechnologie von G. Rosenberg und unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung des Körperschemas als Basis der Identität.
(3) Die Langzeitstudie der Universität Erlangen „Soziale Kompetenz für Kinder und Familien – die Erlangen-Nürnberger Studie“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Berlin, 2004, wiss. Leitung: Prof. F. Lösel, Institut für Psychologie, Universität Erlangen-Nürnberg) belegt, dass bereits mehr als die Hälfte der Eltern ihren Nachwuchs für verhaltensauffällig halten und über Erziehungsschwierigkeiten klagen. 13-17 % der Vorschulkinder in Deutschland weisen ernsthafte Schwierigkeiten im Sozialverhalten auf. Dabei handelt es sich nicht um kurzfristige Schwierigkeiten, sondern um langfristige Entwicklungen, die sich bis ins Erwachsenenalter verfestigen können. Die Bedingungsanalysen der Erlanger Studie zeigten, dass die Probleme durch ein komplexes Zusammenwirken von sozialen, psychischen und biologischen Risikofaktoren entstehen. Internationale Studien nennen ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen, die gravierende Erlebens- und Verhaltensproblemen haben.
(4) Dass diese Veränderung nur durch Einwilligung und selbst Beispiel gebende Kooperation von Seiten des Elternhauses und der sozialen Umgebung zu bewerkstelligen ist, macht den Wertewandel so mühsam.
(5) etwa bei der Bildfläche als überschaubarer Einheit, deren Sinngefüge sich nur in der spezifischen An- und Zu-Ordnung der einzelnen Elemente erschließt, als komplexer Zusammenhang der Bildlogik (s.a. „Ikonik“ als kunstwissenschaftlicher Ansatz bei Imdahl).
(6) Die von uns erstrebte bewusste Simultaneität multipler Zugänge zur Wirklichkeit orientiert sich an der spezifischen Gleichzeitigkeit der Kunst. Sie lässt Heterogenes simultan anwesend sein, und zwar in der künstlerischen Form, als gestaltete Ambiguität, die durch eine Verlängerung des Wahrnehmens zustande kommt (vgl. Sklovskij [1925]: „Das Ziel der Kunst ist, uns ein Empfinden für das Ding zu geben, ein Empfinden, das Sehen und nicht nur Wiedererkennen ist. Dabei benutzt die Kunst zwei Kunstgriffe: die Verfremdung der Dinge und die Komplizierung der Form, um die Wahrnehmung zu erschweren und ihre Dauer zu verlängern.“ „Theorie der Prosa, S.14.) Wir erkennen die Gegenrichtung zur Vergleichzeitigung unseres Lebens (s.Anm.8, Multitasking). Mit dem Fokus auf künstlerischer Verdichtung lernen wir, fruchtbare Unterscheidungen zu treffen hinsichtlich der aktuellen Bedrohung, zu „Simultanten“ zu werden. „Immer mehr gleichzeitig zu tun, daran machen wir heute unser Fortschrittsideal fest. Mit dieser Motivation treiben wir die dem Kapitalismus als Wasserzeichen eingeschriebene Steigungsdynamik des »Immer-mehr« voran. Es bleibt uns letztlich keine andere Wahl, wenn wir unser Wohlstandsniveau, das durch Zeitnot erhetzt wurde, erhalten oder ausbauen wollen. Karl Marx hat das vorhergesehen und sich dafür den Begriff „Intensifikation“ einfallen lassen. Im „Kapital“ notiert er: “Neben das Maß der Arbeitszeit als »ausgedehnte Größe« tritt jetzt das Maß ihres Verdichtungsgrades.“ Die New Economy (...) hat die Verdichtung über Vergleichzeitigung zu ihrem Erfolgskriterium erhoben.“ [Geissler, 2003]
(7) Gleichzeitigkeit oder Duplizität des Wahrnehmungsangebots im Sinne des doppelten Potentials der Kunst, das der Kunsthistoriker J. Burckhardt betrachtet: Kunst ist immer Zeugnis ihrer Zeit in spezifisch verdichteter Form und genau dadurch zugleich überzeitlich in ihrer Geltung und Ansprache späterer Epochen. D.h. dem Künstlerischen ist weder mit einer historisierenden noch mit einer konsumierenden Haltung gerecht zu werden, vielmehr wird etwas Lebendiges dazwischen in Bewegung gesetzt – immer wieder aufs Neue! Diese Beweglichkeit der Wahrnehmung zwischen den Fronten ist auch im (medialen) Alltag auszubauen.
(8) Wie bereits in vorigen Anmerkungen erwähnt, ist das Phänomen der Simultanität in der Kunst zu finden: im Bereich der Malerei etwa in der Gleichzeitigkeit verschiedener Perspektiven des kubistischen Bildraums, der ein „paralleles Sehen“ erfordert, d. h. ein nicht fixierendes Nebeneinander-Wahrnehmen und Übereinander-Lagern verschiedener Blickwinkel und Sichtweisen im Beziehungssystem der Bildfläche. Mit dieser Anleihe kann man nicht nur eine Verwechslung mit dem Begriff der Vergleichzeitigung vermeiden, sondern an bildnerischen Beispielen die Wahrnehmung schulen. Auch für Grundschulkinder wird anschaulich (wenn auch noch nicht verständlich), dass der Prozess der Wahrnehmung zu anderem führt als zu einem sogenannten Multitasking, das die Gleichzeitigkeit von Tätigkeiten meint, um Zeit zu sparen. Wie die Forschung anführt, ist diese Fähigkeit nur unter Teilung der Aufmerksamkeit auf mehrere Kanäle und teilweise Automatisierung zu gewinnen (und für das „postmoderne“ Pseudo-ADS verantwortlich, s. Hallowell / Ratey). Die Kunst wiederum kennt das Modell der dedifferenzierten oder leeren Aufmerksamkeit - ein Zustand der Sammlung und gleichzeitig allseitiger Offenheit. „Diese logisch gesehen paradoxe Bewusstseinsverfassung ermöglicht das wache Aufnehmen der Dinge in und um uns herum und behält sie zugleich in jener Schwebe, die zuvor nicht gesehene und damit neue Verknüpfungen zustande bringt.“ [Koethen, 1999, S.153]
(9) Das Problem des multiplen Subjekts und das Konzept der Kohärenz fasst W. Schmid in seiner „Philosophie der Lebenskunst“ schlüssig zusammen: „Das moderne Subjekt der Identität selbst, das sich nicht mehr geheuer ist, gebiert den Traum von einem postmodernen Subjekt der Multiplizität, dessen pathologische Ausformung das Phänomen der „multiplen Persönlichkeit“ ist. Im innersten Kern eins sein zu wollen mit sich, brachte für die Individuen endlose Erfahrungen des Scheiterns und Versagens mit sich, daher die Flucht vor dem Anspruch der Identität in den Traum der Multiplizität, auch in die Krankheit der Gespaltenheit, bedrängt von der Realität der Moderne, die mit immerwährender Veränderung jeden Ansatz zur Identität schon im Keim erstickt und das Konzept des multiplen Subjekts zur Überlebensfrage macht. (...) Kohärenz ist das Gefüge, das die vielen Aspekte des Ichs in einem vielfarbigen Selbst in einen wechselseitigen Zusammenhang bringt. Sie leistet das, was häufig einer erneuerten, von ihrem Begriff völlig abgekommenen Identität zugeschrieben wird, von der nur noch verlangt wird, das Selbst und sein Leben als „zusammenhängendes Ganzes“ zu gestalten ... – „Kohärenz“, die die Bestandteile des Selbst organisch zusammenhält, sie zusammenwachsen lässt und mit Anderem verbindet, auch wenn sie in sich widersprüchlich und immer in Bewegung sind. Die Kohärenz ist nicht einfach schon gegeben, sie ist ein Konstrukt. (...) Nicht nur in der Arbeit an der Veränderung des Selbst besteht die Selbstgestaltung, sondern, grundlegender noch, in dessen Zusammenfügung.“ (Hervorhebung der Verfasser) [Schmid, 1999, S. 251f.]
(10) Eine nachhaltige Stärkung der Identität im Sinne der Kohärenz (s.Anm.9) scheint bei einem Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen immer notwendiger. So zeigt Alain Ehrenberg in „Das erschöpfte Selbst“ (2004) auf, dass das Individuum aufgrund der bestehenden Überfülle an Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung von Depressionen („die Krankheit der Freiheit“) befallen wird. (Siehe auch Makropoulus Überlegungen zu Walter Benjamins Theorie der Moderne und jenem zwingenden Zusammenhang zwischen der Möglichkeitsexplosion in der Moderne und einem gerade dadurch unstillbaren Verlangen nach ganzheitlicher Glückserfahrung.) Die kapitalistische Gesellschaft macht das authentische Selbst zur Produktivkraft und fordert es damit bis zur Erschöpfung. Ehrenberg analysiert die Strukturen, „in denen sich das depressive Zeitalter entfaltet und zu denen die flächendeckende medikamentöse (nur „symptomatische“) Behandlung durch Antidepressiva gehört, die lediglich zu einer „Verschleppung der Depression“, folglich zu deren „Chronifizierung“, führt. Die wachsende Ausbreitung von Depressionen, steigender Konsum von Antidepressiva und die Zunahme von Alkohol- und Medienabhängigkeiten (bereits im Kindes- und Jugendalter) untermauert Ehrenbergs These, dass „die Natur des modernen Menschen zwischen Körper und Geist, Biochemie und Bewusstsein, Biografie und Subjekthaftigkeit“ auf dem Spiel steht. (s. Anm.14)
(11) Da der Kreislauf des Habituellen nicht gewaltsam aufzubrechen ist, „bleibt nur der unwägbare Umweg. Das heißt ein Ausweg aus Festgefahrenem kann sich nur zeigen in einem Riss, der sich auftut, in der Lücke oder dem Spalt, den man plötzlich und unerwartet in durchaus vertrauten Gefilden wahr-nimmt. Ein möglicher gangbarer Weg ist durch die freischwebende Aufmerksamkeit zu entdecken – mitten im alltäglichen Geschehen, im Altbekannten, am selben Ort, im selben Ablauf, da auch die Gewohnheit nistet und sich zu verfestigen neigt.“ [Koethen, 1999, S.160]
(12) - der grundsätzlich jene wache Aufmerksamkeit fordert (vgl. auch Anm.8), „die als begrifflich unvoreingenommene Beobachtung des Realen Dinge überhaupt erst entdeckt: ein aktives Für-wahr-Nehmen, das sich der Ambivalenz von An- und Abwesenheit bewusst ist, bei der der jeweils eingenommene Fokus die Sicht- und Unsichtbarkeit der Phänomene steuert und damit die eine oder andere Möglichkeit in den Blick rückt – andernfalls aber, in eingefahrenen Blickregimen hängen bleibt. Weil gewohnte Sichtbarrieren die Tendenz haben, sich nicht nur im Verhalten, sondern in einer Haltung zu verfestigen, deren Mechanismen sich nicht mehr für neue Erfahrungen öffnen.“ [Koethen, 2004] Besonderen Stellenwert erhält dieser Aspekt beim Blick auf die tägliche Konfrontation verschiedener Kulturen in Schule und Gesellschaft und die daraus erwachsende bildungspolitische und gesellschaftliche Notwendigkeit einer multikulturellen „inklusiven“ Erziehung.
(13) Das elementarästhetische Lernen übt damit Konzentrationsfähigkeit und setzt auf eine andere Wahrnehmungs– und Erlebnistiefe, als sie im Multitasking-Lebensstil zu entwickeln ist, in dem zunehmend digitale Begleiter eine ständige zweite, dritte und… Aktionsebene bilden. Obwohl deren Benutzer die vielen parallelen Herausforderungen durchaus als lustvoll empfinden, nennen Forscher als Folge eines fortgesetzten Multitasking nicht nur das Pseudo-ADS (s .Anm. 8), sondern auch ein Suchtverhalten, das nach immer neuen Informationen in immer kürzeren Abständen verlangt. Diese Forderung nach Informationsfluten über eine Vielzahl von Medien und Angeboten lässt sich bereits in der Schule bei vielen Kindern feststellen.
(14) Nach Buddemeier hat die mediale Nutzung, insbesondere des Fernsehens, Wahrnehmungsveränderungen zur Folge: wer fernsehe, könne das, was die Welt interessant mache, nicht mehr sehen. (Inter-esse heißt dazwischen sein!) Das Starren der Augen und das Tempo des Bildwechsels, gepaart mit der elektronischen Darbietungsform schränkten die lebendige Teilnahme in unsinnlicher Weise ein. Hierzu schildert Buddemeier ein Experiment mit Studenten: Im Anschluss an einen Waldspaziergang wurde im Seminar eine Nachrichtensendung gezeigt und daraufhin nochmals der Wald aufgesucht; die Teilnehmer an diesem Experiment erlebten sehr nachdrücklich Unterschiede in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. [2001, S.115-116 u. S.122]
(15) Der israelische Gesundheitsforscher A. Antonovsky hat in seinem Konzept zur Salutogenese dem Köhärenzsinn grundlegende Bedeutung – insbesondere für die Entwicklung der eigenständigen Identität - zugestanden. Dabei definiert er Kohärenzsinn als ein positives Bild der eigenen Handlungsfähigkeit, das vom Gefühl der Bewältigbarkeit von externen und internen Lebensbedingungen, der Gewissheit der Selbststeuerungsfähigkeit und der Gestaltbarkeit der Lebensbedingungen getragen wird [s. Keupp, 2002].
(16) - obwohl dieses Forschungsprojekt dazu beitragen soll, in Zukunft den Regelunterricht selbst zu verändern.
(17) So versucht das elementarästhetische Lernen mit eigenen Initiativen den Stellenwert von Computerspielen zu relativieren, in denen auch noch die Kompensation dessen ver-marktet wird, was die moderne Technologie selbst verursacht hat: chronischen physischen Bewegungsmangel. Wie z.B. „Eyetoy“, ein Zubehör für die Computerspiel-Konsole Playstation2, das Körperbewegungen in ein Videospiel übersetzt, wodurch der Körper des Benutzers über eine Kamera direkt mit den Daten im System interagieren kann. Solche Spiele, die wie ein Fitnessprogramm für die sogenannten „couch potatoes“ wirken, erfahren in den letzten Jahren verstärkt Zulauf, da sie dem Bedürfnis der Benutzer, in die künstliche Spiel-Welt einzugreifen, sie zu steuern und sogar in dieser aufzugehen, entsprechen.
(18) Im Sinne der von Welsch skizzierten Wahrnehmungsbildung („aisthesis“), die einer Abstumpfung und Anästhetisierung entgegenwirken soll. Eine solche Anästhetik könne zu sozialer Desensibilisierung und zu einer Abwendung von der „Realität“ führen. Diese und weitere Entwicklungen lassen sich durch viele Studien, wie die von Ehrenberg und Fritz, bestätigen.
(19) Die Notwendigkeit, künstlerisch-mediale Prozesse in der Konfrontation und Reflexion unterschiedlicher medialer Ebenen auch im (Lehramts-)Studium zu implementieren, verfolgen die Verfasser bereits in ihren Seminaren an der Universität Hannover.(s. a. das erfolgreiche Konzept mehrfacher Medienwechsel in der künstlerischen Praxis „Kunst im medialen Fluss“)
(20) Einblick in die Unterrichtsreihen und insbesondere in die Internetseiten der Schüler gibt die Autorin unter http://www.christine-huempel.de
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