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Reform des Schulsystems in Polen
von Hanna Zielinska
Die Entwicklung des Schulwesens in Polen verlief in den Nachkriegsjahren anfänglich sehr dynamisch. Das Schulnetz wurde intensiv wiederaufgebaut: Grund-, Ober-, Berufs- und Hochschulen. Man darf nicht vergessen, dass das polnische Schulwesen nicht nur durch Kriegszerstörungen Schaden erlitten hat. Da die Grenzen Polens nach dem Kriege weiter nach Westen verschoben wurden, ist der große Teil seines Schulnetzes auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion geblieben.
Nach 1945 war das Bildungsgesetz von 1932 - nach dem Namen seines Autors das Jedrzejewicz-Gesetz genannt - immer noch in Kraft. Es hat die folgende Struktur des polnischen Schulwesens festgesetzt (um das Niveau der Überbleibsel nach drei Okkupanten Österreich, Russland und Preußen auszugleichen): 6-jährige Grundschule (mit innerer Differenzierung in drei Organisationsformen), 4-jähriges Gymnasium und 2-jähriges allgemeinbildendes Lyzeum. Damals sind auch Berufsgymnasien und -lyzeen entstanden. Trotz der Geltung dieses Gesetzes wurden die Entscheidungen über Bildungsveränderungen immer häufiger auf verschiedenen Ebenen der Parteiorganisationen getroffen (zuerst der Polnischen Arbeiterpartei PPR, dann der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR) und als Dekrete oder Anordnungen erlassen. Als Beispiel kann die Verfügung des Politbüros des Zentralkomitees der PPR dienen, nach der die Struktur des Bildungssystems (seit dem 1. September 1948) geändert wurde. Es wurde die 7-jährige Grundschule und das 4-jähriges allgemeinbildendes Lyzeum geschaffen.
Das speziell gebildete Zentralamt für das Berufsschulwesens handelte in der ersten Hälfte der 50-er Jahre sehr aktiv. Es konzentrierte sich auf die Verminderung der Aufnahmebeschränkungen in allgemeinbildende Lyzeen zum Vorteil der immer größeren zentralen Aufnahmebeschränkungen für alle Berufsschultypen (und besonders in 4- bis 12-monatige Schulen der Berufsausbildung und Berufsgrundschulen). In dieser Zeit bemerkte man auch die zunehmende Indoktrinierung im Bildungssystem, Druck zur Entwicklung konformistischer Haltungen, gesetzliche Abtrennung der Bildung von der Erziehung, Anpassung der Programminhalte an die Ideologie, Schaffung eines falschen Bildes der Wirklichkeit, Perspektive und Hoffnung, Vorherrschen von Verbalismus und bruchstückhaftem Wissen in Schulen, rasche Verarmung der Berufsgruppe der Lehrer.
Diese negativen Prozesse verstärkten sich binnen der nächsten Jahrzehnte und die aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen Proteste aus den Jahren 1956, 1968, 1970, 1980/81 zeugten von einem wachsenden Gesellschaftsbewusstsein und einer Entfremdung der Machthabenden. Die Heuchelei des totalitären Systems wirkte sich ungünstig auf das Leben jeder Familie aus. Junge Generationen wuchsen im Missklang zwischen Propaganda und wahrgenommener Wirklichkeit auf. Die Befriedigung der materiellen Bedürfnissen der Bürger hing wiederum von ihrer ideologischen Korrektheit ab.
Es hatte eine Menge negativer Gesellschaftserscheinungen zur Folge: Erzeugung allgemeiner Ratlosigkeit und der moralischer „Radareinstellung“ (Anpassen der Regeln an die Situation), Sich-Einschließen in das privaten Leben, Konzentrierung auf Überdauern und Besitzen zum Preis der Unterdrückung von kreativen und innovativen Haltungen, sowie der Entwicklung emotionaler Tiefe. Darüber hinaus bewirkte es eine Oberflächlichkeit des Lebens, das Aufgeben der Verantwortung für das Leben, Mangel an Achtung vor Werten wie Arbeit, Ausbildung und Zuständigkeit, Gegenwartsbezug, zunehmende Abhängigkeit von der Umgebung (den sogenannten "Kontakten") sowie Mangel an Autonomie.
Die oben genannten gesellschaftlichen Spannungen umgingen nicht den Bereich der Schule und der Bildung, die für die Macht ein gewisses „Sicherheitsventil“ waren. Die Deklarationen des immer besseren, mehrmals reformierten Bildungssystems, des größeren Geldaufwands und der allgemeinen Zugänglichkeit sollten die Gesellschaft beruhigen, indem sie ihr Bedürfnis nach einer besseren Zukunft befriedigten, die nur durch höhere Ausbildung zu erreichen sei.
Dies waren jedoch nur Deklarationen und Propagandaparolen, während die finanziellen Aufwendung für Bildung immer geringerer wurden (bis auf nur noch ca. 2% Nationaleinkommen zu Anfang der 80-er Jahre). Dies war mit einem schlechten Zustand der materiellen Basis des Schulwesens, überfüllten Klassenräumen und einer Verarmung des Lehrerstands verbunden. Die misslungenen Reformen des Bildungssystems verschlechterten diesen Zustand noch, so in den 70-er Jahren:
- Die Bildung der Sammelschulen in den Gemeinden zerstörte das Netz der kleinen Grundschulen in den Dörfern; es hat die Schulen von Kindern entfernt, ohne ihr Niveau und ihren Standard zu erhöhen und den Kindern den zuverlässigen Transport zur Schule zu sichern.
- 1971 entstand ein realistische Expertenbericht über den Zustand des Bildungssystems in Polen mit dem Vorschlag für eine Reform, die jedoch von den Macht Ausübenden mit Schweigen abgetan wurde.
- 1973 versuchte man das sowjetische Modell der 10-jährigen Schule einzuführen, wodurch für einige Jahre Chaos in polnischen Grundschulen verursachte wurde.
Schließlich gab man diesen Versuch auf.
Der Zugang zu den höheren Bildungsstufen war durch die Zugangsregulierung für die Mehrheit der polnischen Jugend und die Ausrichtung auf das Modell der 8-jährigen Grundschule und der 3-jährigen Berufsgrundschule ungleich und einschränkt. Es wurde zusätzlich die Idee der „totalen Schule“ realisiert, die durch die Deklarationen von der „erziehenden Gesellschaft“ über das ganze Leben des Kindes Kontrolle ausübte und die Lehrer zu Objekten herabwürdigte.
Der Wandel in der Gegenwart
Durch das vom demokratisch gewählten Parlament verabschiedete „Gesetz über das Bildungssystem“ vom 7. September 1991 werden seither Struktur und Gestalt der öffentlichen und nicht öffentlichen Bildung in Polen reguliert. Darin sind die rechtlichen Grundlagen und die Realisierung die Bildungsaufgaben durch verschiedene Instanzen festgelegt.
Dem Gesetz gemäß richtet sich die Bildung in Polen nach den in der Verfassung der Republik Polens enthaltenen Prinzipien, nach den Grundlagen der Deklaration der Menschenrechte, der internationalen Abmachung der bürgerlichen und politischen Rechte und der Konvention der Kinderrechte. Lehren und Erziehung nehmen als Grundlage universelle Prinzipien der Ethik an, wobei sie das christliche Wertsystem respektieren. Bildung und Erziehung dienen der Entwicklung von Verantwortungsgefühl, Liebe zur Heimat und Achtung vor dem nationalen kulturellen Erbe Polens in der Jugend, bei gleichzeitiger Hochschätzung der Kulturwerte Europas und der Welt. Die Schule soll jedem Schüler die für seine Entwicklung unentbehrlichen Verhältnisse sichern, ihn zur Erfüllung der Familien- und Bürgerpflichten in Anlehnung an die Prinzipien von Solidarität, Demokratie, Toleranz, Gerechtigkeit und Freiheit vorbereiten.
Der Schulpflicht unterliegen alle Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren. Die meisten Sechsjährigen haben die Möglichkeit, die sogenannten „Nullklassen“, die am häufigsten in Kindergärten organisiert werden, fakultativ zu besuchen. Ihr Ziel ist die Bildungschancen der Kinder auszugleichen bevor sie die Grundschule besuchen. Die obligatorische Grundschule umfasst mit ihrem Unterricht über 99% aller Kinder, wobei sie den zentral erarbeiteten Lehrplan umsetzt.
Die Sonderbildung in Polen umfaßt ungefähr 3% der Schulpopulation und beinhaltet die Fürsorge für Kinder und Jugendliche mit allen Behinderungsstufen wie etwa sozialen Schwierigkeiten sowie für langwierig Kranke und Behinderte mit Seh- oder Hörfehlern.
Zum Angebot des polnischen Schulwesens für den Sekundärbereich gehören allgemeinbildende Schulen (Lyzeen) und verschiedene Berufsschulen. Das allgemeinbildende Lyzeum (LO), das 4 Jahre dauert und mit der Reifeprüfung beendet wird, ist der kürzeste Weg zum Hochschulstudium. Die Lyzeen sind in fünf Profile eingeteilt: das allgemeine, das humanistische, das mathematisch-physikalische, das biologisch-chemische und das klassische. Das LO gehört zu den Schulen mit Mädchenüberschuss (ca. 70% der Schülerschaft). Bis Ende der 80-er Jahre lernten hier weniger als 20% der Absolventen der Grundschulen. Dieser Prozentsatz steigt seit den 90-er Jahren wieder.
Bei den Berufsschulen, in denen ca. 80% aller Schülerinnen und Schüler unterrichtet wird, erfreut sich die 3-jährige Berufsgrundschule (ZSZ) des größten Zuspruchs. Dieser Schultyp war zuvor mit Wirtschaftsbetrieben verbunden, die eigentlich nur für die eigenen Bedürfnisse Facharbeiter ausbildeten. Nachdem sich die wirtschaftliche Situation Polens geändert hat, bemerkt man seit 1990 eine massenhafte Auflösung dieser Berufsgrundschulen oder deren Übergabe an den Staat; denn die private Unterhaltung der Schulen ist zu teuer geworden. Die Absolventen der ZSZ, in überwiegendem Maße junge Männer, bilden heute in Polen die größte Gruppe der Arbeitslosen.
Das Berufslyzeum dauert 4 Jahre und bereitet seine Schüler auf die Berufsarbeit vor. Gleichzeitig bekommen sie auch die Möglichkeit, die Reifeprüfung abzulegen. Die Schule, die meistens von Mädchen besucht wird, bildet diese in folgenden Fächern aus: Hotelgewerbe, Friseurberuf, Kosmetik, Verwaltung, Wirtschaftslehre, Chemie und Nahrungsmittelindustrie, Textil- und Bekleidungsindustrie. Um die Mitte der 90-er Jahre gab es allerdings ca. siebenmal weniger Absolventen der Berufslyzeen als bei den Berufsgrundschulen.
Das Technikum ist eine weitere sehr populäre Schulform in Polen. Seit den 90-er Jahren nimmt die Zahl dieser Schulen zu. Es dauert fünf Jahre und wird mit Prüfungen sowohl in Abiturfächern als auch technischen Fächern abgeschlossen. Es öffnet den Weg zum Hochschulstudium, ebenso auch für verschiedene Berufsperspektiven, die mit folgenden Berufsfeldern zusammenhängen: Automechaniker, Elektroniker, Elektrotechniker, Bergmann, Chemiker, Bautechniker, Förster, Agronom etc.
Das postlyzeale Fachstudium ist ein Bestandteil der Berufsschulen außerhalb von ZSZ, Berufslyzeen und Technikschulen. Dieser Typ der Schule wurde für Absolventen der allgemeinbildenden Lyzeen geschaffen, die das Studium in einer Hochschule nicht auf genommen haben. Das postlyzeale Fachstudium ist eine Art Berufsoberschule technischen Typs. Es dauert eineinhalb bis zweieinhalb Jahre und bildet Fachleute für viele Bereiche aus, wie z.B.: Industrieautomatik, Kontrollmesselektronik, medizinische Elektronik, Radiotechnik, Baupräfabrikation, Außenhandel, Wirtschaftslehre, Buchhandel, Hotelgewerbe, Tourismus, Zollverwaltung und viele andere.
Zur Gruppe der Fachhochschulen gehört das Kolleg, das den Titel des Lizentiaten verleiht. Kollegs entstanden in Polen erst nach 1990. Grund für ihre Entwicklung war ein großer Mangel an Grund- und Oberschullehrern für westeuropäische Sprachen (bis 1990 war Russisch die obligatorisch unterrichtete Sprache), ebenso an Fachleuten in sich dynamisch entwickelnde Bereiche wie Bankwesen, Außenhandel, Marketing und Verwaltung, Business, Versicherungen und Informatik. Kollegs sind zum Teil auf der Basis der Universitäten oder als unabhängige Einheiten, die aus früheren Lehrerseminaren gebildet wurden, entstanden.
Seit den 90-er Jahren entstehen viele Lizentiatenschulen in Polen, die gegen Bezahlung in allen Studienfächern ausbilden, bei denen Bedarf auf einem bestimmten Gebiet besteht. Sie entstehen also nicht nur als Ergänzung der Hochschulen in großen Stadtzentren, sondern auch in kleineren Städten, wo es früher keine Hochschule gab.
Die Mehrheit der Hochschulen in Polen ist staatlich. Man unterscheidet folgende Einrichtungen: Universitäten (mit der ältesten, der Jagellonen-Universität in Krakau, die 1364 gegründet wurde), technische Hochschulen und Akademien, Akademien für Medizin, Hochschulen und Akademien für Wirtschaftslehre, Hochschulen und Akademien für Landwirtschaft, pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen, Akademien der bildenden Künste, Musikakademien, Theater- und Filmhochschulen, Militärakademien, Sportakademien, Akademien für Theologie.
Das Schulwesen für Erwachsene in Polen verfügt ebenfalls über verschiedene Schularten für alle Bildungsstufen. Der Unterricht findet im Abend- und Fernunterricht statt. Diplome dieser Schulen sind gleichwertig mit denen des Direktschulwesens für Jugendliche.
Zukunftsorientierung der Reform
Die Einführung des neuen Schulsystems in Polen mit dem 1 . September 1999 ist nach Ansicht der Reformer unentbehrlich wegen:
- der Unmöglichkeit, das vorherige Bildungssystem an Tempo und Umfang der gesellschaftlichen Veränderungen, sowie an Gesellschafts- und Regierungsreformen anzupassen,
- der Krise der Erziehungsrolle der gegenwärtigen Schule, der es nicht gelingt, entwickelte Persönlichkeiten von Schüler hervorzubringen und ihnen eine ethische Orientierung und Werthierarchie zu geben,
- der Chancenungleichheit auf Zugang zur Bildung auf allen Stufen, besonders auf der mittleren und der höheren,
- der Notwendigkeit die Berufsbildung an neue Anforderungen der Marktwirtschaft und eine entsprechende Arbeitsethik anzupassen,
- der Notwendigkeit der intensiveren Kontakte der Schulen mit Familie und Ortsgemeinschaft.
Der nahe Termin des Realisierungsanfangs der neuen Reform ist deshalb auch aus drei wichtigen Gründen vorteilhaft:
- das demographische Tief, das seinen höchsten Wert 2001 in der Population der Sechsjährigen erreicht;
- die Notwendigkeit große Veränderungen, die sich aus der Regierungsreform des Staates ergeben, in allen Bereichen des Gesellschaftslebens durchzuführen;
- steigende Anforderungen, die mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zusammenhängen.
Voraussetzungen und Ziele der Reform
Durch die politische Veränderungen und die Schaffung eines besseren Rechts-, Organisations-, und Programmrahmens bemüht sich der Staat um Erhöhung der Qualität von Erziehung und Bildung und um eine wirksame Realisierung ihrer Ziele. Dabei wurde ein neuer Grundsatz formuliert: "Der Schüler ist Subjekt der Erziehung und Bildung, deswegen sollen seine Entwicklungsbedürfnisse zum Ausgangspunkt des Bildungsprozesses werden, und nicht Anforderungen einzelner Fächer, die Entsprechungen verschiedener Bereiche des akademischen Gewissens sind."
Dabei kann von folgenden Voraussetzungen ausgegangen werden:
- Der Staat muss die Einheitlichkeit des Bildungssystems sowie auch gleichzeitige Anerkennung der autonomen Tätigkeit von Schulen, ihrer Leitung, Lehrer- und Schülergemeinschaft sichern.
- Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Schule sollen eine vollständige Ganzheit im Laufe ihrer Realisierung sein.
- Für Erhaltung des Maßverhältnisses zwischen Informationsübermittlung und Entwicklung der Kenntnisse und Erziehung soll gesorgt werden.
- Schulbildung soll die einzelne Wissensbereiche optimal verbinden, besonders in der anfänglichen Lehrperiode.
- Günstige Verhältnisse für eine gute Zusammenarbeit einzelner Lehrergruppen sollen geschaffen werden, wodurch den Schülern entwicklungsfördernde Bildung und Entstehung eines freundlichen Erziehungsmilieu zugesichert wird.
- Jeder Absolvent der polnischen Schule soll mindestens eine Fremdsprache beherrschen und den Computer benutzen können.
- Die Erziehungspriorität der Schule soll Hilfe beim Erwerb der ethischen Orientierung und der Werthierarchie, Gestaltung der Arbeitsethik und Personalisation des Lebens in der Familie und anderen Gemeinschaften sein.
- Dezentralisierung und Programmvielfalt erlauben,
- „das Übermaß an enzyklopädischen Wissen aus Schulprogrammen zu beheben und die Aufmerksamkeit der Schule auf Entfalten der Kenntnis des selbständigen Denkens der Schüler und auf Gewinnen, Auswählen und Verarbeiten des nötigen Wissens zu konzentrieren;
- eine wirkliche Programmautonomie der Schule zu bestimmen, indem man
- den Lehrern die Entscheidung über die Wahl des Programms aus dem Katalog der zum Schulgebrauch durch das Ministerium der Nationalbildung zugelassenen Programme lässt,
- die Schulprogramme bearbeitenden Lehrer und Schulen fördert;
- die in der Schule realisierten Programme an Bedürfnisse und Fähigkeiten konkreter Schüler und Lehrer anzupassen, sowie an die Verhältnisse, in denen der Schulunterricht stattfindet.“
- Die Umgestaltung von Lehrplänen erlaubt die Struktur des unterrichteten Wissens an Bedürfnisse der Schüler und Möglichkeiten der Schule anzupassen; Rahmenpläne des Unterrichts, die durch das Ministerium vorbereitet wurden, lassen ca. 20% der Stunden zur Verfügung des Schuldirektors.
- Das Bewerten in der neuen Schule soll der Förderung und Entwicklung des Schülers dienen sowie ihm einerseits seine Fortschritte und starken Seiten, andererseits aber auch seine Schwächen und eine weitere Arbeitsrichtung zeigen.
- Die Reform der Lehrerbildung soll schneller und intensiver werden.
- Es ist notwendig, neue Kriterien der Laufbahnbeförderung von Lehrern zu erstellen und sie entsprechend zu belohnen (die Reform stellt drei Varianten zur Diskussion).
Schulformen nach dem Reformgesetz
Nach dem l. September 1999 entstehen neue Schulformen in Polen:
- 6-jährige Grundschulen, die in zwei Lehrzyklen eingeteilt sind:
- Klassen I bis III: integrierter Unterricht,
- Klassen IV bis VI: Blockunterricht;
Außer dem freiwilligen Besuch des Kindergartens kann die fakultative einjährige Vorbereitung der sechsjährigen Kinder auf den Schulbesuch der Grundschule vorausgehen (97% Kinder nehmen daran teil);
- 3-jährige Gymnasien, deren dichtes Netz einen leichten Zugang zu Schulen diesen Typs sichern soll (Gymnasium in jeder Gemeinde);
- 3-jährige berufsvorbereitende Lyzeen, welche die allgemeine Bildung mit der berufsbildenden verbindet; ihr Ziel besteht nicht darin, Schüler für bestimmte Berufe vorzubereiten, sondern solche Eigenschaften in ihnen auszubilden, die den Arbeitnehmern in der gegenwärtigen Wirtschaftssituation von Nutzen sein können;
- 2-jährige Berufsschulen, die es ermöglichen, den Titel des Facharbeiters zu erhalten;
- Postlyzeale Schulen, die es ermöglichen den Titel des Technikers zu erhalten; je nachdem, ob der gewählte Beruf mit dem Profil des abgeschlossenen Lyzeums übereinstimmt, dauern sie zwei bis vier Semester);
- Ergänzungslyzeen für Absolventen der Berufsschulen; sie geben ihnen die Möglichkeit die vollständige Mittelschulbildung zu erwerben (geplant werden Direkt-, Abend- und Fernformen dieser Schulen);
- Kunstschulen des I. und II. Grades;
- Sonderschulen;
- Weiterbildung, die ein zusammenhaltendes Element des gesamten Bildungssystems ist; sie wird sich besonders intensiv auf dem Gebiet der Berufsbildung in den fünf folgenden Bereichen auswirken:
- 3-jähriges profiliertes Lyzeum,
- 2-jähriges Ergänzungslyzeum,
- Vorbereitungskurse für Nachprüfung in Abiturfächern,
- postlyzeale Berufsoberschule,
- verschiedene Formen der außerschulischen Bildung (Kurse, etc.)
Regionale Verwaltung
Seit dem 1. Januar 1999 gilt eine Neugliederung Polens in 16 Wojewodschaften, die wiederum in Kreise und Gemeinden eingeteilt sind. Einzelne Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung haben als eigenständige Aufgabe, bestimmte Formen öffentlicher Schulen zu gründen und zu führen, und zwar:
- in der Gemeinde Kindergärten, Grundschulen und Gymnasien;
- im Kreis berufsvorbereitende Lyzeen, Berufsschulen und postlyzeale Schulen, Kunstschulen, Sonderschulen (Grundschulen und Gymnasien), Bildungs- und Erziehungsstellen, Weiterbildungeinrichtungen, psychologisch-pädagogische Beratungsstellen sowie Resozialisierungs-, Adoptions- und Vormundschaftszentren;
- in der Wojewodschaft Schulen und Einrichtungen mit regionalem Charakter (der Verordnung des Ministerrates gemäß), Bildungseinrichtungen und Lehrerfortbildungseinrichtungen, pädagogische Bibliotheken, Weiterbildungszentren und Zentren für praktische Bildung.
Die vorgeschlagene Einteilung der Kompetenzen entzieht nicht den Selbstverwaltungsebenen die bisherige Berechtigunge zur Führung von Schulen und anderen Bildungsformen. Die Bestimmung ihrer Aufgaben beschränkt auch nicht die Möglichkeit, dass sie andere Schulen und Bildungseinrichtungen gründen und führen können: „ln die Gründung einer Schule oder einer öffentlichen Bildungseinrichtung durch eine juristische oder natürliche Person wird das Organ der Einheit der Territorialselbstverwaltung einwilligen, deren eigene Aufgabe darin besteht, öffentliche Schulen gegebenen Typs nach der Einholung des Gutachtens des Bildungskurators zu führen. lm Fa!!e der öffentlichen Kunst- und Berufsschulen nach der Einholung des Gutachtens des zuständigen Ministers.“
Nicht öffentliche Schulen und Stellen dürfen von juristischen und natürlichen Personen gegründet werden, „nachdem sie die Eintragung in die Evidenz erlangt haben, die von der zur Führung der öffentlichen Schulen und Stellen entsprechenden Typs verpflichteten Einheit der Territorialselbstverwaltung geführt wird.“
Finanzierung der Reform
Der Staat unterstützt das Verfassungsprinzip des gebührenfreien Zugangs zu allen öffentlichen Grund-, Gymnasial- und Oberschulen für jeden Bürger im Alter bis 18 Jahren. Er verpflichtet sich, allen Schülern vergleichbare Standardverhältnisse des Schulunterrichts zu sichern. Dennoch gilt auch hier: „Es ist nicht dem Prinzip der Unentgeltlichkeit zuwider, wenn die Eltern zusätzliche, die Programmgrundlagen überschreitende Bildungsleistungen finanzieren oder finanziell! unterstützen.“
Die bisherige Art der Bildungsfinanzierung direkt aus dem Staatsbudget ändert sich einschließlich der Übernahme der Verantwortung für die eigene Aufgabenrealisierung durch die Ebenen der Selbstverwaltung. In der Weise der Finanzierung der Bildungsaufgaben, die Grundschulen und Gymnasien betreffend, wird es allerdings keine größeren Veränderungen geben. Die Subvention des Staatsbudgets bleibt erhalten. „Die Grundlage des Einkommens in Kreisen bilden Kreiszulagen zur Steuer von natürlichen Personen, Einkünfte der Kreisorganisationseinheiten, Einkünfte aus dem Kreisvermögen und andere. Kreiseinkommen können auch unterschiedliche Dotierungen und Subventionen sein, darunter die Ergänzungssubvention aus dem Staatsbudget für Bildungsaufgaben und die Ausgleichssubvention für Beseitigung des Missverhältnisses des Potentials der Kreiseinkünfte, bis zu 80% des Einkommens des bemitteltsten Kreises.“
In den Wojewodschaften ist die Finanzierungsweise der Bildung so wie in den Kreisen organisiert, mit der zusätzlichen Möglichkeit, eine zweckmäßige Dotierung aus dem Staatsbudget für die Führung der Spezialschulen von regionaler oder überregionaler Reichweite und eventuell für andere durch Regierungsverwaltung übergebene Aufgaben und Kompetenzen zu erhalten.
Das Projekt der Bildungsreform enthält auch den Vorschlag Bildungsgutscheine einzuführen und auf diese Weise die gesetzmäßigen Aufgaben von öffentlichen und nicht öffentlichen Schulen und Einrichtungen in Polen zu finanzieren sowie auch die Wahlmöglichkeit der Schule ohne Unterschied des Wohnorts des Schülers zu gewährleisten.
Fazit
Die hier kurz dargestellte Reform des Schulwesens ist unentbehrlich, wenn sich die polnische Gesellschaft durch Optimierung von Entwicklungsmöglichkeiten der jungen Generation auf schnelle technologische, ökonomische oder kulturelle Umwandlungen vorbereiten will. Dank den Investitionen sowohl des Staates als auch einzelner Bürger in Bildung und Erziehung wird jede nächste Generation besser ausgebildet sein. Es ist notwendig, nicht nur das Niveau der Bildung durch Veränderung ihres Inhalts und Umfangs zu erhöhen, sondern auch ihre Zugänglichkeit und Flexibilität zu erweitern. Ob die gerade eingeführte Reform alle gesteckten Ziele verwirklicht, ob sich der finanzielle Aufwand als ausreichend erweist, ob das - den Voraussetzungen der Reform gemäß - gesonderte Netz von Gymnasien und Oberschulen nicht doch bei den Grundschulen verbleibt, ob die reformierte allgemeine Bildung die Lehrer, deren Ausbildung erst jetzt beginnt, mit neuen Kompetenzen ausstattet - das ist nur ein Teil der Fragen und Zweifel, die sich in der gegenwärtigen schwierigen Situation Polens aufdrängen.
Die Wende von 1989 hat den Polen die Überzeugung gegeben, dass sie ihren Staat und ihr Gesellschaftsleben auf der Basis allgemeiner demokratischer Prinzipien errichten können. Das Freiheits- und Partizipationsgefühl löst Fragen nach Wegen, Entscheidungen, Werten, Sinn und Identität aus. Auf ein sinnvolles, verantwortliches sowie auch autonomes und erfülltes Leben kann nur die neue, veränderte Schule vorbereiten. Die Reform, von der hier die Rede ist, ist bestimmt ein Schritt in diese Richtung.