Lernen einmal anders - Partizipatorische Ansätze im Unterricht für Deutsch als Fremdsprache

von Angélique Bruns

Wer kennt nicht als Lehrerin oder Lehrer die Situation, dass vor einem eine Schülergruppe sitzt, die gelangweilt, müde und schlaff erscheint. Was tun? Es könnte ganz einfach sein: Sie mit Themen anzusprechen, die sie interessieren, die lebensnah sind.

Angeregt durch die Auseinandersetzung mit Ideen unterschiedlicher Reformpädagogen1, wurde im Laufe der Zeit eine Arbeitsmethode entwickeln, die als partizipatorisches Lernen bezeichnen werden kann. Im Ansatz ist es eine freiheitliche, selbstverantwortliche und selbstbestimmte, sowie experimentelle Methode, die sich im Arbeitsprozess mit den Teilnehmenden entwickelt. Ihr übergeordnet ist die Leitidee der Partizipation, d.h. die aktive Teilnahme aller am Lernprozess beteiligten. Überwiegend kommen die Teilnehmenden mit einer Konsumhaltung in die Kurse, d.h. sie meinen, dass die Lehrenden oder das Buch Struktur und Inhalt vorgeben werden, da sie es in der Schule nicht anders gelernt haben. Das selbstbestimmte, partizipatorische Lernen, das Einbringen eigener Ideen und Vorschläge und die gemeinsame Gestaltung des Unterrichts, muss im Laufe des Kurses erst erarbeitet und erfahren werden.

Diese oben angerissene Arbeitsweise ist nur möglich, weil den Lehrenden ein Raum geboten wird, der nur minimale Vorgaben macht und zur eigenen schöpferischen Gestaltung einlädt. Dieser Raum ist die Sprach- und Kulturbörse, ein selbstverwaltetes studentisches Projekt, das an der Technischen Universität Berlin angesiedelt ist. Die Lehrenden sind Mutter- bzw. Landessprachler, die jedoch keine Vor- oder Ausbildung als Lehrende besitzen müssen.2 So kann sich jemand mit einem anderen Bildungshintergrund, z.B. Architektur, Mathematik, Politologie oder Kunst, im Rahmen eines Praktikums mit den verwendeten Methoden und der Didaktik vertraut machen und mit eigenen Ideen weiterentwickeln. Daraus entstehen interdisziplinäre Lernkonzepte, die den Rahmen des herkömmlichen Unterrichts erweitern.

Die wenigen Vorgaben, die wir Lehrende uns machen, sind grammatikalischer Art, d.h. es werden bestimmte Grammatikthemen für die jeweiligen Niveaus festgelegt, die dort bearbeitet werden. Thematisch und methodisch-didaktisch gibt es keine Vorgaben, unser Unterricht ist neben konventionellen Formen der Sprachvermittlung vor allem durch spielerische Übungen, Rollenspiele oder Exkursionen geprägt.

Durch Fortbildungen und den gemeinsamen Austausch in monatlichen Treffen mit Kolleginnen und Kollegen erweitern sich das methodische Repertoire, man kann aber auch dank einer vertrauensvollen Atmosphäre Schwierigkeiten im Unterricht ansprechen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Das für Lehrende oftmals so typische „Einzelkämpferdasein“ wird damit aufgebrochen, in Co-Teaching-Kursen sogar völlig aufgehoben. In diesen Kursen arbeiten zwei Lehrende gemeinsam in einem Kurs, um sich fortzubilden, d.h. die Arbeitsweise einer anderen Kollegin oder eines anderen Kollegen kennen zu lernen, sowie die Arbeitsweisen gegenseitig zu reflektieren und zu verbessern.

Die Leitidee dieser Arbeitsweise ist, eine größtmögliche Partizipation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Unterrichtsgeschehen zu erreichen. D.h., dass die Methode über die aktive Mitarbeit der Lerners weit hinausgeht und dessen aktives Eingreifen in und Mitgestalten am methodischen und inhaltlichen Unterrichtsablauf wünscht, um eine höhere Lernbereitschaft zu erreichen. Wenn die Lernenden einen Bezug der Unterrichtsthemen zu sich selbst und ihrer Lebenssituation herstellen können, sind sie deutlich motivierter, interessierter und kreativer im Umgang mit der Sprache und den erworbenen Kenntnissen. Gleichzeitig festigt sich das Gelernte besser, wenn ein praktischer Bezug hergestellt ist.

Im Verlauf der ersten Sitzung eines neuen Kurses werden die Teilnehmenden gefragt, warum sie ihr Deutsch verbessern wollen, was sie konkret für Ziele und Wünsche haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in der Schule oft ein passives und konsumtives Lernverhalten gewohnt sind, werden aufgefordert, ihre Interessen und Bedürfnisse zu benennen. Oft ist die erste Reaktion Verwunderung und Schweigen. Die wenigsten haben sich vorab Gedanken darüber gemacht, was sie lernen wollen.

Auf die Frage hin, ob sie über Politik und Wirtschaft sprechen wollen, ergeben sich oft eindeutige Reaktionen, aus denen spontan Ideen entwickelt werden können. Nicht selten erinnern sie sich an konkrete Situationen in ihrem Alltagsleben, in denen ihnen die Kommunikation nicht befriedigend geglückt ist. So äußern sie konkrete Wünsche, beispielsweise haben sie das Problem schon zum dritten Mal ihren CD-Rekorder umtauschen zu müssen, wobei sie jedes Mal Probleme mit den Verkäufern haben. Daraus ergibt sich eine ideale Chance für ein Rollenspiel im Unterricht. Ein anderes Mal erzählten mehrere Teilnehmerinnen, dass sie eine Präsentation im Rahmen ihres Studiums hätten, deshalb wurden in den Kurs spontan Elemente des Präsentationstrainings aufgenommen.

Wenn ein Bezug zu ihrem Leben, ihrem beruflichen und privaten Alltag, oder ihren Interessen, hergestellt wird, entwickeln sie schnell Ideen oder Wünsche, was in dem Kurs behandelt werden könnte. So wird mit den Teilnehmenden gemeinsam Inhalt und Themenwahl des Kurses besprochen. Dazu werden sie zu eigenen Arbeiten, wie Texten oder Referaten, oder zu Diskussionen und Rollenspielen angeleitet.

Diese Methode wird auch in Anfängerkursen angewandt; denn wenn der Lerner zu seinem selbst gewählten Thema einen Text schreibt oder ein Referat hält, ist dieser Experte seines Themas. Eine Teilnehmerin kam aus Lettland und unter den anderen Teilnehmenden stellte sich die Frage, wo Lettland denn liege. Daraus entwickelten sich ein umfangreich vorbereitetes Referat mit Musik, Fotos und persönlichen Geschichten.

Der Lernende kann selbstbewusst sein Thema vertreten und kommt aus der oft so typischen, passiven Situation heraus, in der „der Lehrer alles weiß, der Schüler nichts weiß“. Die Lernenden sind auf diese Weise motiviert, das Gefühl unwissend zu sein, da die sprachlichen Fähigkeiten noch nicht genügend entwickelt sind, wird abgebaut, das Selbstbewusstsein der Lernenden gesteigert.

Hier verändert sich ebenfalls die Lehrer-Schüler-Hierarchie, denn beide werden zu Lehrern und Lernern. Der Lehrer vermittelt dem Schüler sein Wissen über die deutsche Sprache, der Lerner wird aber durch sein Expertenwissen ­– z.B. über sein Referatsthema – zum Lehrer und vermittelt dem Deutschlehrer Wissen, wodurch diese zum Lernenden wird. Die Unterrichtssituation wird durch den Abbau von Hierarchien entspannter und kollegialer.

Vor Beginn eines Kurses weiß niemand, wer den Kurs besuchen wird und somit kann der Inhalt nicht vorhergesehen werden. Ebenso kann man das Unterrichtsmaterial nicht vorab festlegen. Nachdem gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Themen des Unterrichts vereinbart worden sind, werden sie ihnen überwiegend zur selbstständigen Erarbeitung überlassen. So schreiben die Lernenden freie Texte im Freinet’schen Sinne, d.h. sie schreiben innerhalb eines vorgegeben Zeitrahmens, motiviert durch die Aussicht auf eine Präsentation ihrer Arbeit. Wenn die Lernenden erkennen, dass ihre aktive Teilnahme zu einem Thema, das sie beschäftigt, gefordert ist, entwickeln die meistens ein enormes Kreativitätspotential nichts. Sie sind hoch motiviert und der Wunsch, sich korrekt auszudrücken, führt zu einer großen Lernbereitschaft.

Wenn die Lernenden erkennen, dass ein Bezug zu ihrem Leben hergestellt ist, beginnen sie intensiv zu lernen. Das reine Katalogisieren der Vokabeln hört auf und der Dialog, das Anwenden und Ausprobieren, beginnt. In manchen Kursen wird dann das Lernen thematisiert. Der Wunsch, Übungen oder Spiele zu wiederholen, wird geäußert. Die Teilnehmenden werden sich des Lernprozesses bewusst, sie spüren, was ihnen geholfen hat und beginnen dieses zu thematisieren und zu pflegen.

Die klassischen Kurs- und Arbeitsbücher sind für einen solchen Unterrichtsansatz ungeeignet. Sie können die freie Themenwahl nicht abdecken und gehen daher oft an den Interessen, Bedürfnissen und Wünschen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorbei. Die vorgegebenen Texte behindern gleichzeitig die Möglichkeit zur Selbstdarstellung bzw. freien Entfaltung. Sie sind oft schlichtweg langweilig, weil sie nicht an der Lebenswelt der Teilnehmenden orientiert sind. Es gibt zwar Unterscheidungen nach Alter und Spezialangebote für einzelne Berufszweige, die Lehrwerke können jedoch nie die Heterogenität einer Gruppe abdecken, in der die Teilnehmer durch ihre Lebensentwürfe völlig unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse mitbringen. Eine ausländische Studentin hat andere Ziele in einem Deutschkurs als ein zugewanderter Kellner oder eine schon viele Jahre in Berlin lebende nichtdeutsche Mutter. Diese unterschiedlichen Interessen kann man in einem partizipatorischen Konzept zusammenbringen.

Die Menschen können sich im Dialog gegenseitig austauschen und kennenlernen. Mit vorgegebenen Inhalten hingegen ist weder der Kontakt erschwert und ein lebensweltorientiertes Lernen kaum möglich.

Im partizipatorischen Unterricht werden so gut wie keine Kursbücher benötigt; denn sie verhindern geradezu die Kreativität und Kritikfähigkeit von Lehrenden und Lernenden. Dazu zitiere ich Célestin Freinet: „Denn das Schulbuch trägt dazu bei, die blinde Anbetung des gedruckten Wortes zu verbreiten. Das Buch ist dann eine Welt für sich, fast etwas Göttliches, dessen Behauptung man kaum noch in Frage stellt. ‚Es steht doch im Buch...’, heißt es dann, wogegen es doch gerade wünschenswert wäre, zu lehren, das im Buch auch nur Gedanken stehen, die dem Irrtum unterliegen können und denen man widersprechen kann, wie man auch jemandem widerspricht, der redet.“3

So können die von den Lernenden produzierten Arbeiten, ähnlich den Arbeiten der Schüler in Freinet-Klassen gut für weiteres Arbeiten genutzt werden. Ein Schüler-Text kann dann ein Lesetext für die ganze Gruppe werden oder ein Lückentext für Grammatikaufgaben usw.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für den partizipatorischen Ansatz ist, dass Frontalunterricht so gut wie vollständig vermieden wird. In moderneren Lehr- und Lernkonzepten ist dies keine neue Erkenntnis. Die Situation, in der der Lehrer vorn an der Tafel doziert und die Schüler passiv transkripieren, kann weitestgehend vermieden werden. Bei Erklärungen kann man das Wissen der Schüler aktiv einbeziehen und sie so ihren mündlichen Ausdruck üben und verbessern lassen. Man kann sogar soweit gehen, sie selbst Regeln erkennen und erarbeiten zu lassen. Dadurch ist es möglich, dass ihr individuelles Lerntempo stärker berücksichtigt wird. So bieten sich die Vergangenheitsformen an, die Lernenden die Bildung des Partizips II oder Präteritums der schwachen und starken Verben herausfinden zu lassen, indem sie einfache Texte in der neuen Zeitform lesen, die Verben markieren und herausschreiben und durch eine Zuordnung in Gruppen selbst herausfinden, wie die Formen gebildet werden. Hier ist aber auch zu berücksichtigen, dass diese Arbeitsweise sehr zeitintensiv ist und man muss abwägen, ob man andere grammatische Themen vernachlässigen kann zugunsten eines entdeckenden Lernens, bei dem die Lernenden intensivere Lernergebnisse erzielen, weil sie es selbst herausgefunden und verstanden und nicht fertig vorgesetzt bekommen haben.

Dieser experimentelle Umgang mit der Sprache beruht auf Ansätzen des spielerischen Lernens. Das Ausprobieren steht hier im Vordergrund. Spiele haben den großen Vorteil, dass sie amüsant sind. Das Lachen lässt eine unverkrampfte Atmosphäre entstehen, ganz anders als die reine Wissensabfrage oder Ausfüllen von Übungszetteln.

In modernen Lehrwerken findet man immer häufiger Übungen, die Alltagssituationen simulieren und so den spielerischen Umgang mit der Sprache anregen. Besonders vorteilhaft wäre es, wenn die geübte Situation in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Lebensbezug der Lerner steht 

Durch den spielerischen Umgang entsteht Bewegung in der Lerngruppe. Die klassische Lernsituation, bei der man am Tisch sitzt, ermüdet schnell. Das Aufstehen und die Bewegung im Raum fördern die Konzentration und aktivieren neue Energien. Oftmals reicht schon das kurze Aufstehen, um den Platz für eine Partner- oder Gruppenübung zu wechseln.

Wenn solche Übungsmethoden auch für den Lehrenden anfangs befremdlich erscheinen, so können auf Dauer doch positive Erfahrungen angeführt werden. Auch wenn einige Lernende anfangs skeptisch reagieren, so sind die Widerstände aus der Unsicherheit entstanden, da vom herkömmlichen, bekannten Unterrichtsverfahren abgewichen wird. Erkennen die Lernenden, dass mit der Sprache praktisch umgegangen wird, sind sie schnell bereit, sich auf eine veränderte Unterrichtssituation, im Stehen oder Gehen, einzulassen. Es erfordert vom Lehrenden, den Mut zu haben, solch eine Unterrichtssituation zu initiieren und die anfängliche Skepsis oder das Zögern der Teilnehmenden auszuhalten.

Im spielerischen Lernen wird weiterhin stärker auf das Lernen mit allen Sinnen gesetzt. Die Lernkapazitäten sind deutlich höher, wenn nicht nur das Ohr Neues aufnimmt, sondern andere Sinne gleichzeitig mit angeregt werden. Oftmals wird über ein Thema gesprochen und gelesen, eventuell Bilder gezeigt. Warum nicht auch anfassen, riechen oder schmecken? Je ganzheitlicher das Lernangebot ist, desto besser prägen sich die neuen Lernthemen ein. Als Beispiel soll hier eine Stunde angeführt werden, in der u.a. gemeinsam gefrühstückt wird. Hier kann lebensnah und mit allen Sinnen erfahren und ausprobiert werden, wie man eine Bitte um die Kaffeekanne oder ein Brötchen formuliert, Vorlieben und Abneigungen ausdrückt und unzählige weitere Gesprächsthemen ausprobiert.

Exkursionen bieten sich zusätzlich für einen realitätsnahen Unterricht an. So kann ein im Unterricht behandeltes Thema durch den Besuch einer Ausstellung oder einer Institution aufgegriffen und angewendet werden, angeleitete Stadterkundungen oder Stadtrallyes, sowie der Besuch eines landestypischen Restaurants werten das Sprachenlernen durch direkte, echte Praxis auf. Exkursionen stärken ebenfalls das Gruppengefühl und nicht selten wird das Verhalten im Unterricht solidarischer und freundschaftlicher. Somit ist es ratsam, eine Exkursion schon zu Beginn eines Kurses durchzuführen. Exkursionen ermöglichen ein intensiveres gegenseitiges Kennenlernen und somit auch interkulturelle Kontakte. Die Wahrnehmung von Unterschieden innerhalb der Gruppe schult das Reflexions- und Kritikvermögen und kann zu mehr Offenheit im Umgang mit anderen führen. Nicht selten werden kulturelle Unterschiede, wie beispielsweise das Ausländersein in Deutschland, dann auch im Unterricht von den Teilnehmenden selbst thematisiert.

Diese Unterrichtsmethoden können sich nur prozeßhaft mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern entwickeln. Sie müssen im Unterricht erfahren werden, damit die Teilnehmenden ihre Einstellung zum Unterricht, d.h. zum Lehren und Lernen, verändern können. Sie müssen ihre passive, konsumorientierte Haltung für eine aktive, offene Einstellung zum Lernen aufgeben.

Für einen partizipatorischen Unterricht müssen die Teilnehmenden eine selbstbestimmte und mitverantwortliche Rolle im Lernprozess übernehmen und der Lehrende muss dagegen lernen, sich immer mehr von seiner dominant führenden Rolle zurückzuziehen und die Gruppe ihre Dynamik entwickeln zu lassen. Solche Prozesse benötigen Zeit, die ein Kurs nicht immer zur Verfügung hat, sie können jedoch Anregungen und Denkprozesse in Gang setzen, die Teilnehmenden neben der Erweiterung ihrer sprachlichen Kenntnisse aus dem Unterricht in ihr Alltagsleben mitnehmen.

Literatur:

  • Felicitas Eckert und Sabine Klemm: Wir wollen spielen! Spiel- und theaterpädagogische Elemente im Fremdsprachenunterricht an der Sprach- und Kulturbörse TU Berlin (Diplomarbeit), Berlin 1998
  • Angélique Bruns: Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Die pädagogischen Konzepte von Célestin Freinet und Paulo Freire im Vergleich, Oldenburg 2002

1 Die Gedanken und didaktischen Überlegungen Célestin Freinets und Paulo Freires haben am nachhaltigsten meine Arbeit als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache geprägt. Der Partizipationsgedanke sowie die Überlegung, die Lernenden über Themen ihres Lebens und ihrer Umwelt an das Lernen heranzuführen ist für beide Pädagogen grundlegend. Die Realisierung ihrer Konzepte ist unterschiedlich, bedingt durch ein völlig anderes Klientel (Kinder vers. Erwachsene) und andere Lernbedingungen (Schule vers. Alphabetisierungsprogramm). Beides sind jedoch flexible Konzepte, wobei besonders Freire darauf verweist, dass die Kurse immer wieder neu konzipiert, den Menschen und ihrer Umgebung angepasst werden müssen.

2 Die Sprach- und Kulturbörse der TU Berlin (SKB) wurde im Wintersemester 1988/89 am Institut für Soziologie gegründet und entstand aus der Diskussion heraus, dass eine offensichtliche Diskrepanz zwischen der proklamierten Internationalität der Universität und dem Mangel an Spracherwerbs- und Begegnungsmöglichkeiten zwischen deutschen und ausländischen Studierenden, sowie der damit verbundenen Unsicherheit im multikulturellen Umgang, festgestellt werden konnte. Obwohl die Quote der ausländischen Studierenden bei 17% lag, zeigte eine Befragung des Akademischen Auslandsamtes der TU, dass die wenigsten Deutschen internationale Kontakte knüpfen und vertiefen. Dabei sind ausländische Studierende Experteninnen und Experten für die Kultur und Sprache ihres Heimatlandes. Im Rahmen ihres Studiums an der deutschen Universität haben sie jedoch selten Gelegenheit, diese Qualitäten zu präsentieren. An der Sprach- und Kulturbörse sind Austauschformen geschaffen worden, wo ausländische Studierende in der Rolle als Vermittler ihrer Kultur und Sprache zu Fachleuten und von den deutschen Studierenden neu wahrgenommen und geschätzt werden können. Gleichzeitig bietet sich die Chance Vorurteile gegenseitig zu überprüfen und zu revidieren. Heute ist die SKB ein studentisches, selbstverwaltetes Projekt mit rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus über 25 Ländern. Sie bietet neben dem Erlernen einer Fremdsprache durch Sprachkurse, Sprachpartnervermittlungen und dem Sprachcafé auch Kommunikationsplattformen wie Internationale Stadtrundgänge und das Multi-Kulti-Café, das ein wöchentlich abwechselndes Programm zu kulturellen und politischen Themen bietet. Im Rahmen unseres Kursangebots werden auch Sprachkurse mit anderen Medien oder spezifischen Themen angeboten, wie beispielsweise Filmkurse oder Hindi-Kochkurse, über die die Sprache anders vermittelt wird als in herkömmlichen Kursen: http://www.skb.tub-fk1.de

3 Célestin Freinet, Pädagogische Texte. Mit Beispielen aus der praktischen Arbeit nach Freinet, hrsg. von H. Boehncke u. C. Henning, Reinbek 1980, S. 51 (Célestin Freinet, Pädagogische Texte. Mit Beispielen aus der praktischen Arbeit nach Freinet, hrsg. von H. Boehncke u. C. Henning, Reinbek 1980, S. 51)