- Startseite
- Service
- Themenfelder
- Weltweit
- Zeitschrift
- Sprachen
- Beitrittsformular
- Paulo Freire Kongress 2018
Kindersoldaten - Das Jahrhundert des Kindes und der Kindheit
von Arnold Köpcke-Duttler
Das Jahrhundert der Kindheit ist durch eine so erschreckende wie groteske Zwiespältigkeit gezeichnet. Wird von Maria Montessori das Kind als Baumeister des Menschen und damit der Gesellschaft gesehen, ausgestattet mit einer inneren Kraft, die die Menschheit in eine lichtvollere Zukunft führen kann, als messianische „Geistesform“ , so wird es zugleich in Tötungsfabriken und Vernichtungslager geworfen wie Ausch-witz und Theresienstadt, in denen von Kindern die Kinderoper „Brundibar“ von Hans Krasár aufgeführt wird. Die Freude an Gesang und Spiel wird umschattet von der Tötung; der Name des „Lehrers von Warschau und Treblinka“ (Dow Marmur), nämlich Janusz Korczaks, steht im Martyrologium des Jahrhunderts des Kindes, eines Lehrers, der die Kinder bewahren, beschützen, abschirmen will gegen jedes Unrecht. Später erhebt der Terror der Roten Khmer die Kinder zu unverdorbenen Gefäßen der Angka, während Tausende von jungen Kambodschanern zum Militärdienst eingezogen wurden, zum Teil auch erst zehnjährige Kinder.
Freilich nicht allein in dem Jahrhundert des Kindes und seiner reformpädagogischen Feier des Kindergeistes ist der Mythos des Erlöserkindes gesungen worden. Die Geschichte dieser Idee – der des voraussetzungsfreien Anfangens, der schöpferischen Potenz des göttlichen Kindes, seiner wundersamen Geburt – zieht sich durch Vergils Hirtengedicht, durch die christlich-abendländische Tradition des lächelnden Heilands über Rousseaus Utopie des reinen schöpferischen Ursprungs bis hin zu Maria Montessoris Bild des Kindes als des ewigen Messias. Die schmerzvolle Dialektik dieses Jahrhunderts der erlösenden und befreienden Kindheit zeigt sich nun darin, dass es zugleich eine Zeit nicht allein der autoritären Zurechtweisung und Bestrafung, der Verwertung der Kinder als Versuchstiere, sondern auch der äußersten Erniedrigung bis hin zur Tötung ist. Deutlich wird dieser Bruch, werden Elend und Größe dieses Jahrhunderts in einer Kette endloser Grausamkeiten, in der Vernutzung der Kinder zu Kampfmaschinen und Killern.
Haben die Kinder eine Zukunft?
Haben Kinder und Jugendliche unter dem Diktat einer ökonomischen und politischen Globalisierung Aussicht auf eine friedliche Zukunft? Kinder und Jugendliche sind Opfer von Gewalt – gelegentlich aber auch Täter. Warum? Was ist zur Gewaltprävention zu tun? Diese und ähnliche Fragen stellen sich in dem gerade zu Ende gegangenen Jahrhundert, in einem Jahrhundert der Kriegskinder (verlassene, vertriebene, gedemütigte, Opfer der von Erwachsenen bewirkten blutigen Kriege) und der Kriege, auch in dem gerade angebrochenen Jahrhundert.
Oskar Negt hat die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass dieses Jahrhundert zugleich gefüllt ist mit Gedanken über die Erziehung, mit Erziehungsexperimenten - ein Jahrhundert der pädagogischen Fantasien, des Pathos der Schöpferkräfte des Kindes bei Maria Montessori und vielen Anderen wie Rabindranath Tagore. Für die italienische Ärztin und Pädagogin ist die Welt der Erwachsenen noch nicht bereit für die Gestaltung einer friedlichen und harmonischen Gesellschaft, die den Krieg überwinden soll. Das Kind aber sei eine „wahrhafte Weltmacht“; von ihm als dem Baumeister des Menschen und der neuen Menschheit kämen Rettung und Hilfe. In seinen Kräften gründe eine menschliche Zukunft. Unterschieden von diesem Enthusiasmus einer gewissermaßen naturnotwendigen Entfaltungslogik des Kindes , ist die Zukunft der Weltgesellschaft zu verbinden mit einer Solidarität in der Beziehung zu allen Kindern als Vertretern der nachwachsenden Generation, zudem einer Solidarität der Nachfolgenden mit den vorausgehenden Generationen.
Kinderpolitische und kinderrechtliche Forderungen richten sich auf ein Verbot der Gewalt gegen Kinder (der sexuellen Gewalt, der Kinderpornografie, des „Züchtigungsrechts“, der Kinderarbeit u.a.), auf eine gewaltfreie Erziehung, eine umfassende Partizipation an den „Maßnahmen“ der Kinderhilfe (s. § 8 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes). Ich will hier nicht das überhaupt nicht kindgemäße Wort „Maßnahme“ wägen, was sicher notwendig wäre, weil es sich einer äußerlichen Ausrichtung und Vermessung zuneigt. Es soll an dieser Stelle nur angefügt sein, dass die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention für die Verwirklichung der Kinderrechte weltweit folgende Prioritäten bestimmt hat: Das Recht auf Schutz vor körperlicher und wirtschaftlicher Ausbeutung; das Recht auf Bildung; das Recht auf Schutz vor Krieg und auf der Flucht.
Ein Blick in die Vergangenheit Europas zeigt, dass Kinder und Jugendliche während des Dreißigjährigen Krieges unter die Soldaten gerieten. Sie wurden den Söldnerheeren angeschlossen und nahmen vor allem an Scharmützeln teil. Als die Armeen vergrößert, Landstriche verheert wurden, Familien und Gemeinden zerbrachen, stieg auch die Anzahl der Buben. Sie wurden die „bösen Buben“ der Söldnerheere genannt und suchten mit zum Töten bestimmten kleinen Waffen eine geringe Chance, ihr elendes Leben eine kurze Spanne zu verlängern. Als Soldaten suchten die Kinder eine Möglichkeit des Überlebens. Schon im Mittelalter halfen Knappen und Knechte den adligen Reiterkriegern; auch später noch gab es Tross- und Reiterbuben. Kindersoldaten gibt es demnach schon seit langen Jahrhunderten, nicht erst in den gegenwärtigen Kriegen, z.B. dem Bürgerkrieg in Angola, den Kriegen im Sudan, in Nordafrika, im Nahen Osten.
Angesichts der tödlichen Geschäfte mit Kleinwaffen, die genau in Kinderhände passen, angesichts dessen, dass Hunderttausende von Kindern zum Soldatendienst gezwungen werden, Minderjährige für besonders grausame Aktionen gegen Zivilisten verantwortlich sind, Tausende von Kindern nicht nur in afrikanischen Ländern mit der Erfahrung extremer Gewalt aufwachsen, stellen UNICEF, amnesty international und das Bonn International Center for Conversion bestimmte Forderungen auf:
- Produktion und Vertrieb von Kleinwaffen sowie Munition müssen kontrolliert werden. Dazu müssen Waffen und Munition gekennzeichnet und die Handelswege genau dokumentiert werden.
- Gesetze über Waffenexporte und Lizenzvergaben müssen verschärft werden. Sie müssen zumindest eine umfassende Menschenrechtsklausel enthalten und auch die Exporte von sogenannten „nichttödlichen Waffen“ wie Elektroschockern und Gummigeschossen regeln.
- Private Waffenhändler müssen registriert und dazu verpflichtet werden, ihre Geschäfte offen zu legen. Exporterlaubnisse dürfen nicht mehr vergeben werden.
- Genehmigungsverfahren für Waffenexporte müssen zumindest öffentlich transparent sein und einem parlamentarischen Kontrollmechanismus unterliegen.
- Die internationale Gemeinschaft muss wirksame Programme zur Einsammlung und Vernichtung von Kleinwaffen entwickeln. Für die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kinder-Soldaten müssen wesentlich mehr Mittel bereitgestellt werden. Wer sich für die Verwirklichung dieser Ziele einsetzen will, möge in diesen Organisationen mitarbeiten.
Die andere Globalisierung
Der norwegische Friedensforscher und Konfliktarbeiter Johan Galtung hat eine „andere Globalisierung“ angeregt und damit Perspektiven für eine Weltgesellschaft im 21. Jahrhundert entworfen. Dieser „Wanderer zwischen den Kulturen“ bezeugt in seinem gleichnamigen Buch , dass es nicht allein die Globalisierung im Bann des Weltmarktes, der politischen Gewalt und des Militärs gibt, die scheinbar unaufhaltsam die Menschheit zusammenzwingt, sondern auch eine Globalisierung nach Maßgabe der Trias Gewaltfreiheit, Kreativität und Empathie. Galtung sieht die Gewaltfreiheit im Mitgefühl verwurzelt, in einem intensiven Mitleiden mit den Menschen, in der Sympathie für unsere Zerbrechlichkeit, die sich keinem autoritären Moralismus fügt. Sein Eintreten für kreative Konflikttransformationen gibt dem Unrecht gerade nicht nach; es bietet vielmehr der Gewalt die Stirn.
Mit Gandhi sucht Galtung nicht Wege zum Frieden; vielmehr ist der Frieden der Weg – „und man muss ihn jetzt gehen“ Diese sich öffnende Integration der Menschheit steht ein für die Unterdrückten und Ausgebeuteten, für die Bedrückten, für ihr Menschen-Recht. Einem globalen Industrialismus und Kommerzialismus kann sie sich nicht beugen. - schon deshalb nicht, weil diese das Recht der Schwächeren systemnotwendig brechen, insbesondere das der Kinder.
Das globale Produktionssystem entdeckt diese allenfalls als Arbeitskräfte , der Weltmarkt als Konsumenten. Das global sich verbreitende System der politischen Herrschaft verwendet sie als Kindersoldaten und raubt ihnen die Hoffnung, dass der Krieg aus dem Leben der Menschen vertrieben werden könne. Zugleich wird im Zeitalter der Globalisierung, der Dominanz des marktökonomischen Prinzips über die ganze Erde hinweg, ein über den Nationalstaat hinausreichendes Jus Cosmopoliticum sichtbar, die Ergänzung bürgerlicher Grundrechte durch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte der „zweiten Generation“, durch demokratische Teilhaberechte. Zu diesem „Universalismus der Menschenrechte“ gehören auch die Menschenrechte der Kinder. Deren transkultureller Sinn geht allerdings weit hinaus über den transnationalen Rahmen eines Weltmarktes und seiner Logik, nach der die Waffen Waren sind, nicht Tötungsinstrumente, die den Händen und Kräften der Kinder angepasst werden. Das globalisierte kapitalistische System provoziert auch jenen Widerstand, der die Rechte der Kinder achtet – das Recht auch, nicht in einem Krieg vernutzt und getötet zu werden.
Es darf freilich nicht übersehen werden, dass die ökonomische Globalisierung gestützt wird durch eine militärische Neuordnung der Erde. Die unipolare Weltordnung ist in sich zugleich ein Prozess der globalen Umweltzerstörung. Dieser scheinbar unumstößlichen Weltordnung können sich jene Kinder der Freiheit entgegen stellen, die Selbstverwirklichung und Dasein für Andere verbinden, Selbstverwirklichung als Dasein für Andere praktizieren.
Gegen die totale Markt-Globalisierung, deren „neoliberalen Marktfundamentalismus“ (Ulrich Beck), den Slogan vom „Lehrmeister Krieg“, das weltweite Kapital, dessen schöne neue monetaristische Welt zugleich in sich gegen sich selbst gespalten ist und aus sich heraus presst das marginalisierte Leben der Armen mit seinen „rauen und realen Realitäten“ - wir haben es hier mit dem nicht-kodifizierten Verbrechen der Auspressung zu tun –, kann sich die Solidarität mit den Armen aufbäumen, wie schwach sie immer zu sein scheinen.
Dieses transkulturelle Ethos muss sich sowohl auf der Ebene interkulturellen Philosophierens als auf der interkulturellen Lernens beteiligen an der von Heinrich Dauber geforderten Überwindung des eurozentrischen Mitleidsdenkens. Sorgfältig ist demnach zu unterscheiden zwischen der autoritären Setzung übergreifender Werte und jenen konkreten Begegnungen, in denen „untergreifende menschliche Erfahrungen“ erst entstehen können, Erfahrungen, die dann auch das Völkerrecht durchdringen.
Trauma-Therapie
Der Krieg, den diese Kinder führen, ist der Krieg, den wir, die Erwachsenen, angezettelt haben. Wir lieben unsere Kinder, sagen wir. Aber die Welt, die wir kreieren, ist kinderfeindlich.
„Sie bekommen ein Gewehr, eine Handvoll Patronen, dreimal täglich etwas zu essen und vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben ein paar Schuhe. Kinder sind leichter zu manipulieren als Erwachsene, außerdem schlicht billiger als echte Soldaten – sie essen weniger, nehmen kaum Sold und haben auch sonst wenig Ansprüche.“ Kinder werden zum Mord gezwungen, fallen selbst ungezählten kriegerischen Auseinandersetzungen zum Opfer. Millionen von Kindern werden getötet, viele werden ihr Leben lang in ihren Möglichkeiten behindert sein, noch mehr aus ihrer Heimat vertrieben. Wer kann die Kinder zählen, die von Anti-Person-Minen zerrissen werden? Wie kann die therapeutische Hilfe für traumatisierte Kindersoldaten aussehen?
Körperliche Übungen, in denen die Kinder ihre Arme auf und ab schlagen wie flatternde Schmetterlingsflügel, sollen ihnen helfen, schwerste seelische Verletzungen zu überwinden. Zudem malen Kinder, was sie am meisten bedrückt. Langsam soll das posttraumatische Belastungssyndrom zurück gedrängt, überspielt werden. Ein Kind verfolgen die Bilder des ermordeten Vaters; den Flüchtlingskindern soll die Methode „Augenbewegung-Desensibili-sierung-Neubearbeitung“ (EMDR) hel-fen, z.B. im Institut für klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Köln und im Institut für Traumatherapie der Universität München.
Bei den traumatisierten Menschen sollen die eingefrorenen Erinnerungen aufgetaut werden. Zeichnend lassen die Kinder gegen die Dominanz der quälenden Erinnerungen eine Idylle des friedlichen Zusammenlebens entstehen. Grace aus Uganda, eine ehemalige Kindersoldatin, erzählt, wie ihr ein Gewehr in die Hand gedrückt wurde von Anhängern einer Rebellenarmee, die aus Anhängern einer christlichen Sekte bestand. Den Kriegern wird vorgegaukelt, sie stünden unter dem besonderen Schutz Gottes. Die Kämpfer würden den Dritten Weltkrieg erwarten. Die Kindersoldatin berichtet, die Kinder würden geschlagen, die Mädchen den Kämpfern zur Frau gegeben. Sie selbst sei von einem viel älteren Soldaten vergewaltigt worden. Die Verletzungen dieses Mädchens zu heilen, reicht eine auferlegte westliche Traumatherapie kaum hin.
Deshalb wird längst entgegen den „Strategien einer schnellen Eingreiftruppe Seele“ an traditionelle Heilungsrituale erinnert, die von dem Einklang zwischen den Toten und Lebenden, dem Einzelnen und der Gemeinschaft ausgehen, vor die Wiederaufnahme eines Kindersoldaten in die Dorfgemeinschaft eine symbolische Reinigung stellen. Vorher dankt der Großvater den Ahnen für die Heimkehr des Kindes. Außerhalb des Dorfes baut die Gemeinschaft eine Hütte, in die das Kind in schmutziger Soldatenkluft eingesperrt wird. In der Hütte wird das Kind entkleidet, wobei diese Erinnerungsstücke an das Militär neben ihm bleiben. Das Gebäude wird dann in Brand gesetzt, wobei das Kind von einem nahen Verwandten gerettet wird. Dem von den „bösen Geistern“ Befreiten werden ein pflanzliches Heilmittel und ein Bad gegeben. Bemerkenswert, ja erschütternd scheint mir bei diesem Ritual zu sein, dass das Kind an den Rand des Todes gebracht und dann von einem ihm nahen Menschen gerettet wird. Es erlebt – entgegen der Vernichtungslogik des Krieges – seine Rettung vor dem Verbrennen und ein neues Zusammenstehen der Dorfgemeinschaft. Dieses gelingt aber nicht in einer harmlosen Solidarität; vielmehr muss erst die Erinnerung an den Krieg (und fast auch das Kind) verbrannt werden, bevor es von dem Dorf und seiner Familie wieder angenommen wird – eine Therapie außerhalb des Mediums der Sprache.
Näheres kann hier nicht dargestellt werden. Boia Efraime jr. hat traditionelle Riten in der Therapiearbeit mit ehemaligen Kindersoldaten in Mosambik erläutert und gezeigt, wie die Sprachlosigkeit zwischen ehemaligen Kindersoldaten und ihren Familien überwunden werden kann. Seine Versuche, auf traditionelle Weise Hoffnung zu rekonstruieren, übrigens in einer Art Symbiose mit psychoanalytischen Elementen, gipfelt in dem Wort, dass eine menschliche Gesellschaft ohne Kriege eine erstrebenswerte Utopie sei. Unumgänglich sei es, den Missbrauch von Kindern als Soldaten, ihre sexuelle Ausbeutung und Benutzung als Arbeitssklaven als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bestrafen.
Völkerrechtliche Perspektive
Der UN-Sonderbeauftragte für Kinder in bewaffneten Konflikten hat sich für ein optionales Protokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten eingesetzt, mithin auch für eine Verschärfung des Art. 38 der Konvention (Schutz der Kinder vor Kriegs- und Militärdienst; ihr Rekrutierungsalter). Anstrengungen werden auch unternommen, substaatliche Einheiten, paramilitärische Truppen zur Anerkennung der rechtlichen Standards zu bewegen. Darüber hinaus müssen die Kriegsprävention und die Friedensstärkung viel stärker bedacht werden. Notwendig ist eine Politik zum umfassenden Schutz der Kinder und Jugendlichen: Schutz von Flüchtlingen, weltweite Ächtung von Minen, Verbot der kindgemäßen Kleinfeuerwaffen, Verbot zur Rekrutierung von Kindersoldaten. Als Zwischenschritt wurde angesehen, das Alter der zu re-krutierenden Jugendlichen von fünfzehn auf achtzehn Jahre anzuheben. Bislang ist die Rekrutierung von Kindern nicht als Verbrechen unter Strafe gestellt weltweit; abzulehnen ist vollständig der Militärdienst von Kindern, die wie in Kolumbien, Angola, Burma, Kambodscha um ihre Kindheit gebracht werden.
Der Schutz der Kinder vor Krieg und Gewalt muss umfassend sein. Dazu gehört, mit UNICEF einzutreten für ein Verbot der Herstellung und des Exports von Kleinwaffen, leichter Schnellfeuerwaffen, die schon von achtjährigen Kindern getragen und von ihnen bedient werden können. Die Koalition für die Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten hat im Jahr 1998 ein Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonven-tion vorgeschlagen. Zentrum dieses Vorschlages ist die Sicherstellung, dass Menschen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, weder der Wehrpflicht unterliegen noch sich freiwillig zu den Streitkräften melden können. Die Unterzeichnerstaaten erklären die erzwungene oder freiwillige Rekrutierung von Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder deren Teilnahme an Feindseligkeiten zu einem kriminellen Delikt. Das Zusatzprotokoll wurde im Mai 2000 verabschiedet, wobei dieser Akt freilich nicht einfach die Situation der Kinder und Jugendlichen verbessert hat.
Trotzdem hat die internationale Coalition to Stop the Use of Child Soldiers mit der Anhebung des Rekrutierungsalters auf achtzehn Jahre eine Verbesserung des Kinderschutzes erreicht. Im Januar 2000 vereinbarten Delegierte aus über siebzig Ländern der Erde in einem Zusatzprotokoll, dass unter achtzehnjährige Menschen nicht mehr zwangsweise in die Streitkräfte eingezogen werden und nicht „unmittelbar“ an Kampfhandlungen teilnehmen dürfen. Dieser Kompromiss lässt leider noch weite Spielräume für eine „Verwendung“ von Kindern und Jugendlichen als Soldaten zu. Vier Monate später forderte die UNO-Vollversammlung in New York alle Mitgliedsstaaten auf, das Zusatzprotokoll bald zu ratifizieren und so rechtlich in Kraft zu setzen. Allerdings wurde ein generelles Verbot der direkten Teilnahme von Minderjährigen (Jungen und Mädchen) an Kampfhandlungen nicht erreicht. Für Non-State-Actors (paramilitärische Verbände, Guerillas, Rebellengruppen) soll ein striktes Rekrutierungsverbot für Minderjährige gelten; „reguläre“ Streitkräfte aber behalten weiterhin die Möglichkeit, Minderjährige aufzunehmen, die sich freiwillig melden.
Die einzelnen Staaten sollen schriftlich mitteilen, welches Alter über fünfzehn Jahren für die freiwillige Eingliederung in die Streitkräfte sie festlegen. Zum einen ist in vielen Ländern fraglich, ob von einer Freiwilligkeit überhaupt gesprochen werden kann, zwingen doch Armut und Arbeitslosigkeit oft in die verheißene „berufliche“ Sicherheit und das erhoffte Ende des Hungers hinein.
Des weiteren räumt das Protokoll den Unterzeichnerstaaten eine Kündigungsmöglichkeit ein. Auch nach dem Protokoll darf die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland weiterhin siebzehnjährige Menschen aufnehmen. Vertreter der Regierung begründen das mit dem Recht auf freie Berufswahl, mit dem hohen Maß der Jugendarbeitslosigkeit, mit der Sicherung militärischen Nachwuchses und auch damit, dass die minderjährigen Soldaten nicht direkt an Kampfhandlungen teilnehmen dürfen. Hier werden demnach Menschenrechte ins Feld geführt für die Eingliederung junger Menschen in das Militär. Das Menschenrecht auf Freiheit zum militärischen Zwang und das Recht auf Schutz gegen die Teilnahme am Krieg kollidieren gegeneinander, das Recht auf Leben, das Recht auf Schutz und Fürsorge, das Recht auf Gesundheit (s. Art. 6 und 24 der Kinderrechtskonvention). Freilich ist diese menschenrechtliche Konfliktkonstellation bereits jetzt in der Konvention enthalten, deren Art. 38 einen Schutz vor bewaffneten Konflikten kennt und bislang an die Vertragsstaaten appellierte, davon Abstand zu nehmen, Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu ihren Streitkräften einzuziehen.
Fraglos muss der menschenrechtliche Konflikt dahin aufgelöst werden, die Bestimmungen des „humanitären Völkerrechts“ in Richtung auf einen umfassenden Schutz der Kinder und Jugendlichen vor dem Krieg zu intensivieren und die Teilnahme am Militär nicht als menschenwürdigen Beruf (wenigstens nicht für Kinder) zu verstehen, andere Auswege aus der Arbeitslosigkeit und dem Elend zu erfinden als gerade die Beteiligung an der Tötung von Menschen, das Erleben einer riskanten Situation, im Krieg selber getötet zu werden. Wenn verwaiste und verarmte Kinder Soldaten werden wollen, weil sie sich bei dem Militär Nahrung, Kleidung, Wohnung erhoffen, so muss ihnen anders geholfen werden als durch Uniformierung, Zwang zum Morden, Erleiden und Zufügen körperlicher Schäden, als durch den Raub ihrer Kindheit. Die Entwicklung friedlicher Lebensperspektiven für Kinder und Jugendliche muss auf der rechtlichen Ebene dadurch gestützt werden, dass die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen als Kriegsverbrechen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den International Criminal Court abgeurteilt wird.
Es bleibt anzumerken, dass laut einer Auskunft, die terre des hommes im Sommer 2001 gegeben hat, die Ratifizierung des Zusatzprotokolls in Deutschland immer noch stockt. Dem Vernehmen nach stellen sich Fragen einer angemessenen Übersetzung, einer internationalen Verständigung über den Inhalt des Textes. Offenbar ist es nicht leicht, eine weltweit gemeinsame Sprache des Rechts zu finden.
Hoffnung auf den Frieden und die Freundschaft
Der Krieg zerstört die Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Er zwingt sie, grausamste menschliche Erniedrigungen zu erleben, verkrüppelt sie seelisch und körperlich, entreißt ihnen die Eltern. Kinder werden Opfer körperlicher Gewalt. Senada Marjanovic hat zwanzig Kinder zu Wort kommen lassen, über ihre von Erwachsenen zerstörte Lebensgeschichte hinaus sie sprechen lassen, dass sie dem Hass nicht verfallen sind, den Krieg überleben wollen. Der sechsjährige Samir sagt: „Ich weiß nicht, warum überall Krieg ist. Wenn es Krieg ist, haben die Kinder keine Väter mehr, und die Mütter weinen immer. Ich werde immer traurig, wenn meine Mutti weint.“
Der zwölfjährige Mario schämt sich, weil er aus einem Land kommt, in dem sich die Männer gegenseitig erschießen, Frauen und Kinder töten. Zugleich wissen die Kinder, dass Liebe und Vertrauen zueinander überlebenswichtig sind. Sie hoffen darauf, dass eines Tages alles besser werden wird. Wiederum fühlen sie sich schuldig, weil viele Kinder den Krieg nicht überleben werden. Die Sehnsucht nach dem Frieden wird stärker als jenes Leben, das im Sterben liegt. Die fünfzehnjährige Suanita hält die ihr helfenden Menschen für heuchlerisch: „Uns geben sie Brot und tun so, als ob sie uns helfen, aber gleichzeitig liefern sie denjenigen Waffen, deretwegen wir hier sind.“ Trotz des Kriegs als eines „feigen Misshandlers“ träumt der Kinderpsychiater Eugen Jungjohann ein Schauspiel von Kindern. Sie singen, während sie sich im Tanz bewegen, die Arme auf die Schultern des nächsten Kindes legen und einen großen Kreis bilden:
„Wir wollen keinen Krieg. Wir wollen nur noch Frieden. Wir wollen keinen Sieg. Wir wollen nur noch reden, miteinander, untereinander, nie mehr gegeneinander. Wir Kinder haben Rechte. Ihr Männer hört uns zu: Macht Frieden jetzt in Sarajevo.“
Dieses Recht soll sichtbar werden im Blick auf Kindersoldaten mit ihren Kriegsverletzungen, auf Kinder, denen eine unbeschwerte Kindheit und Jugend entrissen wird. Wer weiß von ihren Ängsten, heilt ihre seelischen Verletzungen, öffnet ihnen Wege in ein angstfreies Kinderleben?
Eugen Jungjohann berichtet, dass Kinder nicht nur eingesetzt worden sind, sondern sich auch freiwillig gemeldet haben zur Verteidigung Sarajevos. Während die jungen Soldaten durch die permanente Gefahr von außen zu einer inneren Beziehung zusammengezwungen wurden in dem Kampf ums Überleben, gegen den Hunger und in der Todesfurcht zusammenstanden, lebten sie nach den Kämpfen Ängste, Wut, Frustrationen innerhalb der Familie und gegen fremde neue Nachbarn aus. Es wird auch gesprochen von aus der Überlebensangst geborenen psychotischen Re-aktionen, aggressiven Episoden, hysterischen Konversionen, dissozialem Verhalten, posttraumatischen Stressreaktionen, depressivem autistischem Rückzug, flash-back von Kriegsszenen mit Gefahr und Gewalt.
Die kriegsbedingten seelischen Traumatisierungen destabilisieren schließlich ganze Familien nach dem Ende der Kampfhandlungen und drängen in eine umfassende Hoffnungslosigkeit hinein, dass es in der Zukunft noch Lebensmöglichkeiten gäbe angesichts solchen Misstrauens und solch unfassbarer Menschenfeindlichkeit. Kinder müssen wieder die Freude am Leben lernen und bedürfen der Helfer, die die körperlichen und die seelischen Wunden verbinden, Wunden, die der Krieg schlägt.
Ahmad Khatib hat in einer empirisch-psychologischen Studie unter anderem gefunden, dass palästinensische Kinder unter kriegsähnlichen Bedingungen ein höheres Maß an Aggressivität und ein „verzerrtes Moralverständnis“ zeigen, Bestrafungswünsche, eine hohe Kampfbereitschaft gegenüber dem Feind, gegenüber jedem Andersdenkenden. Die Kinder passen sich an die gewalttätige und bedrohliche Umwelt an. Da diese Kinder ihre Welt als gewalttätig und aggressiv erleben und davon ausgehen, dass bestimmte Ziele nur durch Repressionen erreicht werden können, begreifen sie das herrschende Dschungelgesetz, das Gesetz des Stärkeren als normal. Die vorhandenen Grundzüge von Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit, Sinn für gerechte Verteilung werden verzerrt; angesichts des Kriegs und in der umfassenden Angst erscheinen sie als hilflose ideale Normen, die um des Überlebens willen verletzt werden müssen. Die kognitive Anpassung an die gewalttätige und bedrohliche „Mitwelt“ verzerrt die Mitmenschen unter der Schutz verheißenden nationalen Attitüde zu Feinden, ja zu Unmenschen. Diese Anpassungsstrategie bleibt allerdings dem nicht auf Dauer zu unterdrückenden kindlichen Wunsch ausgesetzt, der sich für die Liebe und den Frieden ausspricht, durch die alle Kriege auf der Welt besiegt werden können. Kinder erkennen, dass der Krieg die Herzen der Menschen versteinern ließ und die Achtung vor dem Leben des Anderen verloren ging.
„Wir hoffen auf den Frieden. Sind nicht Freundschaft und Liebe stärker als der Krieg?“ In dieser Hoffnung fordern die Kindern aus existentiellem Recht heraus ihre Kindheit von denen zurück, die für die Entstehung der Kriege verantwortlich sind.
Eine bessere Welt mit den Kindern
Im September 2001 sollte eine Sondersitzung der Vereinten Nationen zur Situation der Kinder in der Welt stattfinden. Wegen des Terroranschlags vom 11. September wurde sie verschoben. Ein sogenannter Kinder-Weltgipfel hat jetzt im Mai 2002 stattgefunden. Hier sollte nicht allein zurückgedacht werden an den ersten Weltgipfel für Kinder im Jahr 1990. Angestrebt werden definierte Zielvorgaben in der Richtung, die Rechte aller Kinder zu schützen oder überhaupt erst zu verwirklichen. Jedes Kind soll eine „gute Grundbildung“ erhalten und die Gelegenheit haben, sein Potenzial voll zu entwickeln und einen angemessenen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. In seinem Versprechen an die Kinder der Welt erzählt Nelson Mandela, wie seine Mutter ihn Freundlichkeit und Großzügigkeit lehrte, wie er als kleiner Viehhirt die Schönheit der Natur und die Erde lieben konnte. Mandela hofft auf die Energie und die Hoffnung der Kinder, ihre Kraft zur Gestaltung der Zukunft. Er gibt den Kindern sein Wort, sich für den Schutz ihrer Rechte einzusetzen, und weiß zugleich, dass er ein festes Versprechen nicht halten kann: „Wenn ich euch mit gutem Gewissen die Kindheit versprechen könnte, die ich hatte, würde ich es tun. Wenn ich euch versprechen könnte, dass jeder eurer Tage ein Tag des Lernens und Wachsens sein wird, würde ich es tun. Wenn ich versprechen könnte, dass nichts – weder Krieg noch Armut noch Ungerechtigkeit – euch eure Eltern, euren Namen, euer Recht auf eine lebenswerte Kindheit nehmen und diese Kindheit euch zu einem erfüllten Leben führen wird, ich würde es tun.“
Graca Machel, die den Sinn ihres Lebens in dem Kampf um die Freiheit, die Würde, den Schutz der Kinder sieht, hat erlebt, dass Krieg, Aids und Armut den Kindern das größte Leid zufügen. Sie hat Kindern zugehört, denen der Krieg geliebte Menschen entrissen, Träume zerstört hat. Sie hofft darauf, dass Wissen und Bildung Freiheit mit sich bringen, und verspricht, sich mit aller Kraft gegen den Krieg einzusetzen, gegen Aids, gegen all die unsäglichen Feinde, die Kinder ihrer Kindheit berauben. UNICEF weiß um die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Kleinkinder: Allein im vergangenen Jahrhundert seien zwei Millionen Kinder getötet, sechs Millionen schwer verletzt, zwölf Millionen heimatlos geworden. Bei Kindern, die der Unmenschlichkeit des Krieges ausgesetzt waren, könnten tiefe seelische Verletzungen überdauern. UNICEF versucht, in Krisengebieten Friedenszonen und kinderfreundliche Räume zu schaffen, Kinderschutzimpfungen auch im Krieg fortzuführen und Friedenskorridore zu errichten, dem Raub an den geistigen und seelischen Kräften der Menschen, zumal der Kinder, Einhalt zu gebieten, der Gewalt gegen die Verletzlichsten, die kein nationales Strafgesetzbuch als Tatbestand verzeichnet.
Pädagoginnen und Pädagogen sollten wissen, dass jeder Pfennig, der für Kampfflugzeuge ausgegeben wird, nicht mehr für die Kinder eingesetzt werden kann, für Trinkwasser, sanitäre Einrichtungen, Impfstoffe, Bücher, Schulen. Andreas Rister von terre des hommes hat wie viele andere die völkerrechtlichen Versuche, die Furie des Krieges in einen rechtlichen Rahmen zu bannen , wenn schon Kriege nicht in kurzer Sicht zu überwinden beziehungsweise zu vermeiden seien, so notwendig wie unzureichend erachtet. Terre des hommes wurde gegründet, um Kindern im Krieg zu helfen. Dieser Akt der Nothilfe wird mittlerweile aufgehoben in die Untersuchung der Gründe der Kriege, in eine dauerhafte Verbesserung der Lebenssituation der Kinder, in eine Kritik der Ungerechtigkeit des Weltsystems mit seinem Riss zwischen den Ländern der Armut und des dominierenden Reichtums.
Diese Kritik bedarf eines Horizonts, des Horizonts einer zivilen Weltgesellschaft, die solidarisch einsteht für die Schwachen und Hilflosen, erst recht für die Kinder. So gibt es Initiativen, die gegen die Anpassung von Kleinwaffen an die Kinder protestieren, die Doppelrolle der Kindersoldaten als Akteure und Opfer wahrnehmen. Ein kolumbianisches Projekt mit Frauen und Kindern nennt sich taller de vida (Werkstatt des Lebens); Kinder können dort spielen, wandern, Glas bemalen, sich festlich kleiden. Die Rap-Gruppe Ninos de Urabá, eine Gruppe schwarzer Kinder, die auf Bohlen über dem Wasser balancieren, in spontan gedichteten Raps ihre Sorgen und Hoffnungen ausdrücken, singt und tanzt gegen Krieg und Gewalt; kolumbianische Jugendliche schließen sich in dem Jugendnetz Redes Juveniles zusammen auf das Ziel hin, dass die Rechte von Jugendlichen anerkannt werden. In Bogotá erstrebt das Rechtsanwalts-Kollektiv Humanidad Vigente den Schutz der Kinder vor Tötungen und Verletzungen , die Verwindung ihrer Kriegsängste.
„Kinder und Jugendliche werden als Minenhunde ausgenutzt, als Schlachtvieh in die ersten Reihen gestellt und zu Mördern gemacht. Mädchen werden entführt und vergewaltigt.“ Diese furchtbare Bedrohung, die durch Armut und Hoffnungslosigkeit noch verstärkt wird, ruft zu Hilfe und Solidarität auf. Auf der rechtlichen Ebene kann die Hilfe darin bestehen, dass Kriegsverbrechen an Kindern besonders entschieden verfolgt werden. In präventiver Hinsicht sollte gefordert werden, dass Kinder und Jugendliche nicht zum Kriegsdienst herangezogen werden dürfen und jeder Mensch das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes hat. So unterstützt terres des hommes die Desmobilizados de Guerra in Mosambik, zu denen viele ehemaligen Kindersoldaten gehören, und sorgt sich um eine Lebensperspektive für sie. Während eines Kinder- und Jugendkongresses wurde im Jahr 1998 der Appell „Stoppt den Krieg gegen Kinder“ verbreitet, in dem Kinder und Jugendliche ihre Bereitschaft erklären, lieber in internationalen Friedensdiensten aktiv zu werden, als den Kriegsdienst zu leisten. „Kriege zerstören die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen. Um Gewalt zu überwinden und ihnen eine Lebensperspektive zu geben, muss besonders ihre wirtschaftliche Situation verbessert werden. Ohne Arbeit und Auskommen wird es immer weiter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geben.“
Den Kindern und mit ihnen eine bessere Welt zu schaffen , eine Erde hervorzubringen, in der ein sinnvolles Leben gelingen kann, gehörte zu dem Streben Bruno Bettelheims. Selber ein anfälliges, kränkliches und schwächliches Kind , hat er, unterstützt von Gertrude Weinfeld, seiner späteren Frau, einer Lehrerin an der Montessori-Schule in Wien, aus den Erfahrungen absoluter Aussichtslosigkeit, Hilflosigkeit und Ausgeliefertseins heraus den Funken seiner großen Schaffenskraft und Energie geschlagen – für die Kinder und mit ihnen. Seine Bereitschaft, mit ihnen im Kerker zu leben, an ihrem Leben in vollem Verstehen teilzunehmen durch den Abstieg in die eigene Hölle hindurch, hat freilich bei Bettelheim zu Unvollkommenheiten und schweren Fehlern geführt – in einem Leben, das in seiner endlichen Hinfälligkeit den hilfsbedürftigen Kindern dennoch gewidmet war.
Ihm folgen jene Menschen, die sich dem Krieg als Lehrmeister nicht fügen und unbotmäßig-zart sich für die Rechte der Kinder einsetzen in einer Welt, in der Kinder zu ausbeuterischer Kinderarbeit gezwungen, sexuell missbraucht, während der Flucht nicht geschützt, als Soldaten zwangsrekrutiert und zum Töten gezwungen werden. Die Kraft dieses Widerstehens schöpft sich selbst aus der realen Utopie einer geretteten und aus der unter Zwang globalisierten Erde sich rettenden Kindheit. Ihre Würde gründet in der Menschenliebe, die nicht vergehen wird.
Zeit seines Lebens hat Janusz Korczak Solidarität mit seinen Kindern nicht als bequemes Mitschwimmen mit dem Strom, nicht als Bequemlichkeit und Denkfaulheit missverstanden. Solch einer zufälligen und faulen stellt der polnische Kinderfreund eine überlegende, aktive und schöpferische Solidarität gegenüber. Diese widersetzt sich der Entwertung des Menschen und errichtet als Fundament jeder Erziehung, jeder Begegnung mit Kindern den Glauben an den inneren Wert, die Würde des Menschen und der Menschheit - die gerade in ihren Kindern aufleuchten soll.